Informationsgesellschaft und Arbeitsgesellschaft

Hans-Gert Gräbe, Leipzig

Einleitung

Man geht heute allgemein davon aus, daß wir uns mitten in einer technologischen Umwälzung befinden, die in ihren Auswirkungen, wenn überhaupt, nur mit der (ersten) industriellen Revolution des 19. Jahrhunderts zu vergleichen ist, die den Einsatz von Kraft- und Werkzeugmaschinen mit sich brachte. Wenn deren Effekt in der Potenzierung der menschlichen Muskelkraft lag, der mit der Ablösung der Manufaktur durch die Großindustrie auch vollkommen neue Formen der Produktionsorganisation mit sich brachte, so steht heute mit dem Einsatz (u.a.) der Mikroelektronik die Potenzierung der menschlichen Geisteskraft auf der Tagesordnung.

Daß eine solche grundlegende Revolutionierung der Arbeitsmittel wiederum auch grundlegende Veränderungen der menschlichen Sozialisation mit sich bringen wird, steht außer Zweifel. Sie zu prognostizieren ist ein anspruchsvolles, aber für die Bewältigung dieser Umbrüche sehr notwendiges Vorhaben, dem eine Vielzahl von Arbeiten gerade auch in Aufarbeitung der Erfahrungen aus dem Scheitern des Sozialismusversuchs in Osteuropa gewidmet sind. Die dabei zur Diskussion gestellten Interpretationsmuster (etwa [Kurz]) gehen teilweise weit über den Rahmen sozio-logischer Konsequenzen (``Befreiung der Arbeit'' etc.) aus den Möglichkeiten moderner Informationsverarbeitungstechnologien (etwa [Kreschnak]) hinaus. Aber selbst innerhalb der stärker an der unmittelbaren sozialen Wirkung von Informationstechnologien orientierten Literatur gibt es unterschiedliche Ansätze für einen Zugang zu dem gemeinhin als Übergang zur Informationsgesellschaft bezeichneten Umbruch, um der Komplexität der zu erwartenden Veränderungen gerecht zu werden. Entsprechend vielseitig sind auch die dabei gezogenen Horizonte und damit die Auslegungen des Begriffs der Informationsgesellschaft. Wir werden deshalb im folgenden versuchen, diesen Begriff als Kennzeichnung eines allgemeinen Umbruchs zu vermeiden und ihn statt dessen nur in einem spezielleren Kontext einsetzen.

Die entscheidende Schwierigkeit einer solchen Prognose liegt sicher in der Radikalität des Umbruchs begründet, wo die klassischen Instrumentarien historisch-vergleichender Untersuchungen nur von sehr begrenzter Aussagekraft sind. Wie tief solche Veränderungen in die Substanz gesellschaftlicher Strukturierung einzugreifen vermögen, kann man am Beispiel der industriellen Revolution studieren. Es gibt allerdings klare Anzeichen dafür, daß der Einschnitt diesmal noch tiefer gehen wird, ja die Struktur der gesamten bisherigen Arbeitsgesellschaft in Frage stellt, so daß manche Autoren bereits vom ``Ende der Arbeitsgesellschaft'' in ihrer klassischen Form bzw. wenigstens dem Ende der warenproduzierenden Gesellschaft ([Kurz]) sprechen. Dies wird unten weiter zu präzisieren sein.

Wenn wir bei unseren Überlegungen die Werkzeugentwicklung und damit die Konsequenzen für den Arbeitsprozeß in den Mittelpunkt stellen, folgen wir dabei nicht nur guter marxistischer Tradition, sondern haben auch die sich mit wachsender Massenarbeitslosigkeit und Tendenzen zur Ein-Drittel-Gesellschaft abzeichnenden Risikolagen eines konservativen Modernisierungskonzepts im Blickfeld. Sich mit diesem Konzept detailliert und vor allem fundiert auseinanderzusetzen und dabei die Spreu vom Weizen zu trennen ist ein dringendes Gebot der Politikfähigkeit und Glaubwürdigkeit alternativer Kräfte. Zum einen, weil dieses konservative Modernisierungskonzept Grundwerte und Standards insbesondere auf sozialem Gebiet in Frage stellt, die zweifellos zu den ``zivilgesellschaftlichen'' Errungenschaften der Menschheit gehören und ein unverzichtbares Element einer ``Postmoderne'' (die eigentlich erst die ``Moderne'' ist) darstellen. Zum anderen aber, weil die Nöte konservativer Politik, die zu diesem Konzept führten, oftmals ganz wesentlich aus einer deutlicheren Wahrnahme von ökonomischen Zwängen und Zusammenhängen resultieren, deren Fesseln die Linke gewöhnlich verspricht zu sprengen, ohne hier selbst realistische Alternativkonzepte zu besitzen. Daß die Linke nach dem Scheitern des bisherigen Sozialismusverständnisses hier im Zugzwang ist, steht außer Frage.

Im Zusammenhang mit dem zu erörtenden Produktivkraftumbruch ist es außerordentlich interessant, sich die klassischen Vorstellungen über Motive und Mechanismen eines Übergangs zum Sozialismus, die ja ebenfalls wesentlich auf dem Produktivkraftbegriff aufsetzen, ins Gedächtnis zu rufen und kritisch zu werten. Es stellt sich heraus, und auch das wird unten zu vertiefen sein, daß sich diese Vorstellungen in ihrer ursprünglichen Form viel stärker an einem Produktivkraftwandel hin auch zu Werkzeugen geistiger Arbeit orientierten als gemeinhin angenommen wird. Interessante Überlegungen auf einem in dieser Komplexität später wohl nicht wieder erreichten Niveau [1] entstanden dazu in der DDR insbesondere im Zusammenhang mit der Entwicklung des Neuen Ökonomischen Systems und in Reflexion der ersten Kybernetikwelle in den sechziger Jahren, die ja auch um die DDR (noch) keinen Bogen machte. Die Patina, die diese Argumente darüber hinaus in unserer schnellebigen Zeit nach 30 Jahren bereits angesetzt haben, läßt sie doppelt reizvoll erscheinen.

Ich möchte mich deshalb einer etwas eigenwilligen Methodik bedienen und zur Unterstützung eigener Argumentation den (hoffentlich geduldigen) Leser an vielen Stellen mit längeren Zitaten aus einer älteren Auflage des in der DDR herausgegebenen Philosophischen Wörterbuchs konfrontieren [2]. Die ständige Aufforderung nach kritischer Überprüfung unserer bisherigen theoretischen Grundlagen wäre dafür bereits Rechtfertigung genug. Jedoch zeigt die (bisher spärliche) aktuelle Debatte im PDS-Umfeld zu unserer Thematik, und [Kreschnak] ist nunmehr auch ein schriftlicher Beleg dafür, daß sie oft in entscheidenden Denkmustern noch der damaligen Sichtweise folgt, was hier nicht unwidersprochen hingenommen werden soll.

Ich beziehe mich bei meinen Zitaten auf die 10. Auflage von [PWB] aus dem Jahre 1974, die mir für die hier verfolgten Zwecke besonders geeignet erscheint. Subsumieren in dieser vollständig überarbeiteten Auflage doch anerkannte Autoren die entsprechenden Diskussionen sechziger Jahre in der DDR. Die eingefügten Zitate enthalten ihrerseits teilweise längere Klassikerzitate, deren Auswahl durch die genannten Autoren erfolgte und die schon deshalb von Interesse sind. Für die entsprechenden Quellenangaben zu diesen Zitaten verweise ich auf [PWB].

Bei dieser Vorgehensweise soll aber ein Umstand vorab expliziert werden. Während der ``klassische'' Marxismus noch eine Transzendenz der gesellschaftlichen Verhältnisse zur Bewältigung der anstehenden Umbrüche voraussetzt und diese somit direkt mit dem Attribut ``sozialistisch'' auftreten, diskutiert heute auch die Linke darüber, ob bzw. inwieweit ein solcher Umbruch noch unter kapitalistischen und hier insbesondere und privateigentümlichen und marktwirtschaftlichen Bedingungen möglich ist. Die konservativen Kräfte sind davon sowieso überzeugt und, als die derzeit wenigstens in Deutschland hegemoniale politische Kraft, auf dem besten Wege, ein für sie offensichtlich schlüssiges Konzept solcher Veränderungen in die Tat umzusetzen. Rundherum also eine perverse Situation, wenn die eigentlich progressiven, auf Veränderung drängenden Kräfte (mit wenig Erfolg) eine Verteidigungsschlacht nach der anderen schlagen, während die konservativen, auf Werterhalt bedachten Kräfte die Grundlagen ihres eigenen Wertesystems in Frage stellen und versuchen, dieses nach Kräften umzumodeln.

Die Arbeitsgesellschaft

Selbst auf die Gefahr hin, den geneigten Leser mit Trivialitäten zu langweilen, wollen wir zunächst einen etwas ausführlicheren Exkurs zu verschiedenen Seiten des Arbeitsbegriffs unternehmen. Es zeigen sich dabei bald einige noch nicht so deutlich auflösbare Eigentümlichkeiten desselben, insofern Wissen ins Spiel kommt. In einer Gesellschaft, für die (nicht nur deskriptive Formen von) Information eine zunehmend wichtige Rolle spielen werden, ist aber ein genaueres Verständnis dieser Effekte von zentraler Bedeutung.

Der Arbeitsbegriff im Allgemeinen

Folgen wir der in der Einleitung angekündigten Methodologie und wenden uns zuerst G. HEYDENs Beitrag zum Stichwort ``Arbeit'' in [PWB] zu. Ausgangspunkt ist für ihn die Marxsche Sicht auf die Arbeit als

ein Prozeß zwischen Mensch und Natur, [...] worin der Mensch seinen Stoffwechsel mit der Natur durch seine eigene Tat vermittelt, regelt und kontrolliert.

In diesem sehr umfassenden Sinne ist Arbeit also die zentrale Konstituente menschlichen Seins und Werdens. Die im Mittelpunkt unseres Interesses stehende Produktivkraftentwicklung kann neue Dimensionen dieses Wechselverhältnisses zwischen Mensch und Natur eröffnen, Dimensionen, die oft genug auch einschneidende Veränderungen in der Sozialisation mit sich bringen und stets eine Intensivierung der Interdependenzen zwischen Mensch und Natur statt deren Abschwächung zur Folge hatten, diese aber niemals beenden, ohne damit die physische Existenz der Menschheit als solcher zugleich in Frage zu stellen. In diesem Sinne ist ein ``Ende der Arbeitsgesellschaft'' nicht abzusehen; die ständige Diskussion darum ist jedoch ein Indiz, daß eben eine solche neue Dimension dieses Wechselverhältnisses zwischen Mensch und Natur ins Haus steht.

Zugleich impliziert die zitierte Sicht auf Arbeit neben dem Hinweis auf den im Gesamtverhältnis eindeutigen Prozeßcharakter als Wechselspiel eng miteinander verbundener Kontrahenten [3] die Existenz von wenigstens zwei interagierenden, aber doch grundlegend unterschiedlichen Komponenten menschlicher Arbeitstätigkeit: einer aktorischen und einer reflektorischen. Erst aus dem Zusammenspiel beider Komponenten wird eine bewußte Gestaltung und Weiterentwicklung des Mensch-Natur-Verhältnisses möglich, wobei zweifellos der Reflexion die entscheidende Rolle zukommt, diese den Kreis schließt, Höherentwicklung ermöglicht und so den Menschen aus dem Tierreich heraushebt. Entsprechend heißt es bei HEYDEN weiter

Arbeit wird als körperliche und geistige geleistet. [...] In allen antagonistischen Klassengesellschaften war die körperliche Arbeit Attribut der ausgebeuteten und beherrschten Volksmassen und wurde weniger geachtet als die geistige. [...] Der geistigen Arbeit wurde alles Verdienst an der raschen fortschreitenden Zivilisation zugeschrieben. Sie war Vorrecht der besitzenden Klassen oder von ihr privilegierter Personen.

Ob eine derart verkürzende Zuordnung jeglicher geistiger Leistung der jeweils herrschenden Klasse den Realitäten gerecht wird, sei dahingestellt. Sie weist jedenfalls darauf hin, daß der reflektorische Teil des menschlichen Arbeitsprozesses im Vergleich zum aktorischen eine wesentlich wichtigere Rolle bei der (Neu-)Installierung von Herrschaftsverhältnissen spielt oder wenigstens gespielt hat. Um so erstaunlicher ist es, daß sich Wert- und insbesondere Arbeitswerttheorien gewöhnlich schwertun mit der Bewertung solcher für die Konstituierung menschlicher Sozialisation offensichtlich nicht unbedeutenden Arbeit.

Arbeit und Arbeitsteilung

Als drittes weist HEYDEN explizit mit HEGEL auf die sozialisierende Rolle von Arbeit hin, auf die Tatsache,

[...] daß der Mensch durch seine Arbeit sich selbst, seine Produktivkräfte, seine Gesellschaft, also seine Geschichte erzeugt. Damit wird, im Gegensatz zur klassischen bürgerlichen politischen Ökonomie, die die Arbeit nur als Quelle des materiellen Reichtums faßt, ihre persönlichkeits- und geschichtsbildende Rolle hervorgehoben.

Wir wollen hier, da im Marxschen Verständnis diese sozialisierende Funktion vor allem aus der Arbeitsteilung, der Notwendigkeit zu kooperativem Zusammenwirken abzuleiten ist, aus einem Zusammenwirken, das nicht nur die Persönlichkeitsstruktur des einzelnen Individuums, sondern auch die Dynamik menschlicher Sozialisation in ihrer Gesamtheit entscheidend bestimmt, einen tieferen Blick auf diesen Zusammenhang werfen und entsprechende Ausführungen von W. P. EICHHORN zum Stichwort ``Arbeitsteilung'' einschieben:

Die Arbeitsteilung und ihre geschichtliche Entwicklung stellen objektiv-gesetzmäßige Prozesse dar, die untrennbar mit der Entwicklung der Produktivkräfte und der Produktionsverhältnisse verbunden sind, durch diese hervorgerufen werden und sie ihrerseits maßgeblich vorantreiben. Die Geschichte hat vielfältige Formen von Arbeitsteilung hervorgebracht. In der antagonistischen Klassengesellschaft haben arbeitsteilige Verhältnisse den Charakter sozialer Gegensätze angenommen bzw. sich mit sozialen Gegensätzen verbunden. [...]
Die gesellschaftliche Arbeitsteilung tritt in verschiedenen Formen und auf verschiedenen Ebenen auf. In der modernen Produktion sind nach MARX zunächst zu unterscheiden:
1. Die Arbeitsteilung im allgemeinen als Verteilung der gesellschaftlich notwendigen Arbeit auf bestimmte Zweige der Volkswirtschaft (Industrie, Handel, Landwirtschaft, Verkehr usw. );
2. die Arbeitsteilung im besonderen als Differenzierungsprozeß innerhalb der Wirtschaftszweige (z.B. Bergbau, Metallurgie, Maschinenbau, Textilindustrie innerhalb des Volkswirtschaftszweiges Industrie);
3. die Arbeitsteilung im einzelnen als zwischen den Arbeitskräften einer bestimmten Produktionseinheit bestehende innerbetriebliche Teilung der Arbeit bei der Herstellung, beim Transport und beim Vertrieb der Erzeugnisse.
Weitere Formen der gesellschaftlichen Arbeitsteilung, die sich teilweise mit den eben genannten überschneiden, sind die berufliche und die territoriale Arbeitsteilung [...]

Es folgt eine Beschreibung der Genese von Arbeitsteilung, die wir nicht weiter verfolgen wollen. Betrachtet man das hier entwickelte Bild des ``status quo'', diese trotz aller scheinbarer Systematik doch recht willkürliche Einteilung in verschiedene Stufen der Arbeitsteilung, so erkennt man vor allem wohl eines: Der im Laufe der menschlichen Entwicklung beständig fortschreitende Prozeß der Arbeitsteilung hat zu multifunktionalen, zu als Gesamtarbeiter in vielseitigen, vielschichtigen und autonomen Teilzusammenhängen sehr unterschiedlicher funktionaler Bedeutung zusammenwirkenden Gesellschaftsstrukturen geführt. Die sich in der Arbeitsteilung manifestierende Kooperation derart vielschichtiger, auch raum-zeitlich höchst unterschiedlich dimensionierter Prozesse und Strukturen ist für das Funktionieren des Gesamtwesens in seiner heutigen Ausprägung unentbehrlich. In diesem Sinne erscheint die, allerdings wohl auch auf MARX zurückgehende, Prognose in [Kreschnak, S. 7], daß mit dem Einsatz ``kybernetischer Maschinen''

der Mensch, der nicht mehr Hauptagent des Produktionsprozesses ist, auch nicht mehr genötigt (sei), sich dem Zwang der Arbeitsteilung zu unterwerfen, durch den er zu einem Rädchen im Massengetriebe wird,

direkt aberwitzig. Statt dessen ist, historischer Erfahrung folgend, mit dem Übergang ins Informationszeitalter eine weitere Ausprägung der Kompliziertheit dieses arbeitsteiligen Zusammenwirkens auf einem völlig neuen Niveau zu erwarten.

Dies wird noch deutlicher, wenn man sich vergegenwärtigt, daß diese Strukturen und die von ihnen erzeugten Werkzeuge in ihrer Mehrzahl eine Vergegenständlichung von Reflexionen vergangener Arbeit sind und als solche heute als Entitäten in sich durch Komplexitätsreduktion längs kausaler Grenzen zu Strukturen formierenden neuen Reflexionsprozessen auftreten. Deren Ziel ist es, das aus einer durch solche Komplexitätsreduktion erst möglichen Analyse von Wirkzusammenhängen erlangte Wissen in Begrifflichkeiten oder Produkten zu komprimieren, die morgen ihrerseits in vergegenständlichter Form in noch umfassendere Zusammenhänge (mit in der Regel auch anderen raum-zeitlichen Horizonten) eingehen:

Arbeit ist kein gleichbleibender, sich auf gleicher Ebene wiederholender Prozeß, sondern ein Entwicklungsprozeß zu immer höheren Formen.

Daß mit solch neuen, höheren Formen auch neue raum-zeitliche Horizonte für damit zu verbindendes Reflexionsvermögen und Reflexionsbedarf eröffnet werden, wird man bei der Analyse der mit der heute ablaufenden Revolutionierung der Produktivkräfte verbundenen gesellschaftlichen Veränderungen entscheidend berücksichtigen müssen. Insbesondere stellen die sich in diesem Kontext bereits herausgebildeten zivilgesellschaftlichen Strukturen wichtige kulturelle Leistungen der Menschheit dar.

Die Dynamik und Eigenheiten eines solchen vielschichtigen und vielgesichtigen Reflexionsprozesses immer umfassenderen Charakters, der aus vielen relativ autonomen Teilprozessen mit oft unterschiedlicher Prioritätensetzung besteht, sind durch starke Zielkonflikte geprägt, die entweder spontan oder aber, insofern Selbstreflexion der Reflexionsbedingungen im Ergebnis bereits zur Installierung entsprechend geeigneter Strukturen geführt hat, geordnet ausgetragen werden. Das bedeutendste Konfliktfeld bildet dabei der Streit um die für den individuellen Arbeitsprozeß notwendigen Ressourcen, welcher bereits in einer sehr frühen Phase der Arbeitsteilung zur Herausbildung von Verfügungseinschränkungen in Form der Entstehung von Privateigentum führte. Dort, wo sich aus diesen Eigentumsrechten Rechte auf Delegierung von Verfügungsgewalt zu einem wohldefinierten Arbeitsprozeß (und nachfolgende Aneignung des Ergebnisses durch den Eigentümer und nicht den Produzenten) ableiten lassen, beginnen die Klassengesellschaften und der Entfremdungscharakter (eines Teils) der Arbeit; also Arbeitsbedingungen,

in denen der arbeitende Mensch von den Produktionsmitteln durch Eigentumsschranken getrennt ist, er also nur mit Erlaubnis der Besitzenden arbeiten, d.h. leben kann, die Arbeit damit entfremdeten Charakter annimmt. Diese Form ist aber historisch vergänglich.

Die letzte Bemerkung ist, wenigstens auf den entfremdeten Charakter der Individualarbeit rekurrierend, wohl zu relativieren. Schließlich ist die Einordnung des Arbeitsvermögens des Individualarbeiters in einen umfassenderen Gesamtplan und die damit verbundene Fremdbestimmung, die im Fall des Privateigentums als einfache Unterordnung unter einen fremden Willen daherkommt, eine Entäußerung des Konflikts zwischen dem Gesamtarbeiter und dem Individualarbeiter, der jede Arbeitsgesellschaft begleitet. Auch eine nicht auf Privateigentum beruhende Gesellschaft benötigt Mechanismen für die Organisation koordinierten und arbeitsteiligen Zusammengehens im gesamtgesellschaftlichen Arbeitsprozeß und wird dabei um Formen im obigen Sinne fremdbestimmter Arbeit nicht herumkommen. Mehr noch, die hohe Komplexität des heutigen und noch mehr des morgigen Arbeitsprozesses macht an vielen Stellen ein Zusammenwirken nach einem einheitlichen ``Plan'' dringender denn je erforderlich. Zweifellos sind dabei subtilere Abhängigkeitsverhältnisse als die rohe Kommandogewalt einer hierarchisch strukturierten Produktionsorganisation möglich und, wie wir weiter unten, der Kurzschen Argumentationslinie folgend, noch genauer sehen werden, notwendig. Zweifellos werden solch neuartige, kreative Spielräume öffnende Abhängigkeitsverhältnisse den Charakter der Arbeit und auch deren Organisationsformen grundlegend verändern. Daß aber die damit verbundene Unterordnung des Individualarbeiters unter den Gesamtarbeiter die Entfremdung der Arbeit nicht aufhebt, belegen die Erfahrungen des DDR-Sozialismus eindrucksvoll [4]. Ich habe dabei durchaus nicht nur die in [Kreschnak] einem stalinistisch deformierten hierarchischen Gesellschaftsaufbau angelastete permanente Forderung nach ``Einsicht in die Notwendigkeit'' im Auge [5], sondern vor allem eine Reihe besonders auf sozial-politischem Gebiet begonnener Projekte, in deren Ausführung man am Ende sogar den Staatsbankrott riskierte. Daß die aus diesen, heute wohl zunehmend wirklich als sozialistische Errungenschaften wahrgenommenen Projekten resultierende Individualarbeit, trotz der hehren Ziele des Gesamtarbeiters, nicht überwiegend mit einem fröhlichen ``Bau auf, bau auf ...'' auf den Lippen geleistet wurde, steht dabei nicht einmal im Vordergrund. Selbst sehr erträgliche Arbeitsbedingungen mit einem hohen Grad an individuellen Entscheidungsspielräumen, wie alternativ in [Kreschnak] als Folge des Übergangs zur Informationsgesellschaft herbeigeredet, können diese Fremdbestimmung mystifizieren [6], aber nicht beseitigen.

Mehr noch muß man als unmittelbare Folge der heute erreichten Dynamik der Produktivkräfte davon ausgehen, daß diese Fremdbestimmung sogar noch im Wachsen begriffen ist. Die Antwort auf die Frage nach der Erträglichkeit derartiger Verhältnisse als immanenter Bestandteil der Reflexion der eigenen Arbeitsbedingungen wird dabei heute sicher eher berufs- als gesellschaftsspezifisch beantwortet werden und von der Erfüllung der sozialisierenden Funktion der Individualarbeit für das Individuum abhängen. Daraus abzuleiten ist allerdings die wenigstens moralische Verpflichtung der Gemeinschaft, jedem Erfüllung bringende (nicht unbedingt nur bezahlte) Arbeit zu ermöglichen, die allein aus der Existenz von Privateigentum in seiner heutigen Form, wie wir noch sehen werden, nicht gesichert werden kann. Allerdings wird man, wie oben bereits ausgeführt, um die zivilgesellschaftlichen Erfahrungen, die in entsprechenden menschlichen ``Erfindungen'', wie den Kategorien Besitz, Eigentum, Verfügungsgewalt oder Mechanismen wie denen des Warenaustauschs, der Marktwirtschaft etc. in Bezug auf dieses Spannungverhältnis zwischen Individualarbeiter und Gesamtarbeiter enthalten sind, nicht herumkommen.

Getrennt von der moralischen Pflicht zur Sicherung von Arbeitsmöglichkeiten ist (die ebenfalls nur moralische) Pflicht des Gemeinwesens zur Sicherung der Existenz seiner Individuen zu betrachten, obwohl beide in allen bisherigen Gesellschaften für Mehrheiten durch den über die physische oder strukturelle Drohung des Existenzentzugs vermittelten Zwang zu fremdbestimmter Arbeit eng miteinander verzahnt sind. Kausal besteht ein Zusammenhang zwischen Arbeit und Existenzsicherung allerdings nur auf der Ebene des Gesamtarbeiters, der ja als gesamtgesellschaftlicher Arbeitsprozeß per definitionem die Reproduktion des bestehenden Wechselverhältnisses mit der Natur, d.h. der Grundlagen der Existenz der menschlichen Gemeinschaft, zum Inhalt hat. Diese Kausalität kann sich allerdings nur durch die koordinierte Wirkung der Summe der Individualarbeiten realisieren, weshalb ein diese Kausalität vermittelnder Mechanismus in jedweder Gesellschaft notwendig ist. Eine zentrale Rolle in einem solchen Mechanismus spielte in allen bisherigen Gesellschaftsordnungen der Wertbegriff, d.h. die Bewertung der Individualarbeit durch den Gesamtarbeiter. Darauf wird unten noch genauer einzugehen sein. Hier sei jedoch schon konstatiert, daß die Kompliziertheit dieses Wertfeststellungsverfahrens in gleichem Maße wie die des gesamtgesellschaftlichen Reproduktionsprozesses gewachsen ist. Man wird deshalb auch in Zukunft davon ausgehen können, daß die Kompliziertheit dieses Transmissionsmechanismus weiter wächst. Aus systemtheoretischer Sicht ist es sogar klar, daß sich diese Transmission, der raum-zeitlichen und kausalen Schichtung des Arbeitsprozesses folgend, nur über mehrere Stufen effektiv realisieren kann.

Die im Kapitalismus dafür angelegte Stafette Gesamtarbeiter -- Eigentümer -- Individualarbeiter hat dabei entscheidende Defizite besonders in ihrem ersten Teil, in dem marktwirtschaftliche Mechanismen den Transmissionsriemen spielen sollen. Der Grund hierfür liegt in der herausgehobenen Stellung des Eigentümers, wodurch es außerordentlich schwierig wird, ihm gegenüber Fremdbestimmung durchzusetzen und damit andere als unmittelbar marktwirtschaftsadäquate raum-zeitliche Horizonte transparent werden zu lassen. Allerdings ist es auf der anderen Seite richtig, daß es sich bei diesen marktwirtschaftlichen Mechanismen, die sich im Laufe der Jahrhunderte ``so ergeben'' haben, gerade um die vom Gesamtarbeiter selbst installierten Strukturen handelt, die dem Eigentümer gegenüber Fremdbestimmung, wenigstens im für den Gesamtreproduktionsprozeß in bisher notwendigem Maße, durchsetzen sollen. Dies wollen wir bei der Frage nach deren Veränderbarkeit, dafür notwendiger zeitlicher Horizonte und vor allem dem generellen inneren Wesen derartiger Strukturen stets vor Augen haben.

Diese Strukturen in neue, den gewachsenen raum-zeitlichen Dimensionen des Reproduktionsprozesses entsprechende zivilgesellschaftliche Strukturen einzubetten, ist also die aktuelle Aufgabe, die der Gesamtarbeiter auf dem Gebiet der Reproduktion gesellschaftlicher Strukturen zu lösen hat, um die neue Dimension von Fremdbestimmung, die die gesamtgesellschaftliche Beherrschung des neuen Produktivkraftniveaus erfordert, zu vermitteln.

So wie sich marktwirtschaftliche Mechanismen auf die Regulierung eines Verhältnisses sehr bestimmter raum-zeitlicher Dimension beschränken und damit die Illusion der Freiheit des Eigentümers lassen, werden sich diese neuen Steuerungsinstrumente als Transmissionsriemen für Kausalität neuer raum-zeitlicher Dimension allerdings ebenfalls nur auf eine sehr indirekte Einflußnahme, ein Setzen (und Durchsetzen) von Rahmenbedingungen, beschränken.

Die so weiter zu verlängernde Kette von Transmissionen entspricht damit der wachsenden Viel schichtigkeit des Gesamtarbeitsprozesses wesentlich besser, als eine Abkürzung dieser Kette auf die Transmission [Gesamtarbeiter = (Volks-)Eigentümer] -- [Individualarbeiter] in der bisherigen realsozialistischen ``Lösung'' [7]. Allerdings sollte man sich bewußt sein, daß dieser Hang zum Determinismus, der meint, daß nicht nur alles nach einem ``großen Plan'' läuft, sondern auch alles nach einem ebensolchen Plan beherrscht werden kann, keineswegs, wie bei [Kreschnak] unterstellt, Ausfluß der auf jahrhundertelanger zaristischer Selbstherrschaft basierenden ``asiatischen'' Produktionsweise ist, sondern an höchst europäische Denktraditionen anknüpft, die selbst in der Kybernetikwelle der 60er Jahre nochmals fröhliche Urständ feierten, wie weiter unten ausgeführt werden wird. Bereits in [PWB] werden jedoch mit dem Begriff der ``großen Systeme'' (Stichwort Systeme, Autor H. LIEBSCHER) Alternativen aufgezeigt, die in der Tradition ganzheitlicher Betrachtungsweise gerade ``asiatischer'' Philosophie weit zurückreichende Wurzeln haben. Heute gehören Betrachtungen und die Modellierung des Verhaltens dynamischer Systeme mit vielen voneinander unabhängigen Entscheidungszentren bereits zum Standardhandwerkszeug ökonomischer Theorien und beginnen, auch in der ökonomischen Praxis Fuß zu fassen. Der in [Kreschnak] mit viel Pathos wiederentdeckte Begriff der unscharfen Systeme ist also mittlerweile eine weithin unstrittige methodologische Konstituente moderner Wirtschaftstheorien und -praktiken. Allerdings versucht auch dieses Herangehen gerade die Vorhersage des Verhaltens solcher Systeme, um sie kalkulierbar und einer Fremdbestimmung zugänglich zu machen. Dies steht Kreschnaks Schlußfolgerung diametral gegenüber, daß

diese Produktionsinstrumente [...] auch benötigt werden, um schrittweise jede Art von Fremdentscheidung menschlicher Angelegenheiten abzubauen, um in einem langwierigen Prozeß zu sichern, daß künftig alle Menschen über ihre eigenen Angelegenheiten auch selbst entscheiden können und tatsächlich selbst entscheiden.

Die hier unterstellte Fähigkeit zur Lokalisierung globaler Reflexionsprozesse, einen entsprechenden technischen Entwicklungsstand nur vorausgesetzt, ist Ausdruck eines allerdings durchaus noch gängigen Technikoptimismus, der spätestens mit [Weizenbaum] sehr skeptisch hinterfragt wurde.

Arbeit und nützliche Arbeit

Doch kehren wir zum Arbeitsbegriff zurück. Die Ausführungen HEYDENs in [PWB] setzen fort mit der Marx zugeordneten Einengung des Arbeitsbegriffs auf nützliche Arbeit

Der Arbeitsprozeß [...] ist zweckmäßige Tätigkeit zur Herstellung von Gebrauchswerten, Aneignung des Natürlichen für menschliche Bedürfnisse. [...] Als Bildnerin von Gebrauchswerten, als nützliche Arbeit, ist die Arbeit [...] ewige Naturnotwendigkeit [...]
bzw. zweckmäßige Tätigkeit
Wir unterstellen die Arbeit in einer Form, worin sie dem Menschen ausschließlich angehört. Eine Spinne verrichtet Operationen, die denen des Webers ähneln, und eine Biene beschämt durch den Bau ihrer Wachszellen manchen menschlichen Baumeister. Was aber von vornherein den schlechtesten Baumeister vor der besten Biene auszeichnet, ist, daß er die Zelle in seinem Kopf gebaut hat, bevor er sie in Wachs baut. Am Ende des Arbeitsprozesses kommt ein Resultat heraus, das beim Beginn derselben schon in der Vorstellung des Arbeiters, also schon ideell vorhanden war. Nicht, daß er nur eine Formveränderung des Natürlichen bewirkt; er verwirklicht im Natürlichen zugleich seinen Zweck, den er weiß, der die Art und Weise seines Tuns als Gesetz bestimmt und dem er seinen Willen unterordnen muß. Und diese Unterordnung ist kein vereinzelter Akt. Außer der Anstrengung der Organe, die arbeiten, ist der zweckmäßige Wille, der sich als Aufmerksamkeit äußert, für die ganze Dauer der Arbeit erheischt, und um so mehr, je weniger sie durch den eigenen Inhalt und die Art und Weise ihrer Ausführung den Arbeiter mit sich fortreißt, je weniger er sie daher als Spiel seiner eigenen körperlichen und geistigen Kräfte genießt.

Dies ist sicher das zentrale Credo des Marxschen Arbeitsbegriffs [8], wenigstens in seiner ``realsozialistischen'' Ausprägung. So eindrucksvoll diese Schilderung aber auch sein mag, sie engt den Arbeitsbegriff zweifach ein: zum einen durch eine ganz wesentliche Beschränkung der Sicht auf den Individualarbeiter und zum anderen durch die Beschränkung der reflektorischen Komponente auf eben diese geistige Vorwegnahme des Arbeitsergebnisses. Obwohl der Mensch

durch die ideelle Vorwegnahme des Arbeitsergebnisses, durch eine jeweilige Zwecksetzung innerhalb des Arbeitsprozesses, in der Lage ist, neue Gesetzmäßigkeiten, die in der Natur wirken, aufzudecken und in seinen Dienst zu stellen,

bleibt derartige Reflexionsleistung schmückendes Beiwerk, wünschenswertes und notwendiges, jedoch dem ``richtigen'' Arbeitsprozeß nachgeordneten Anhängsel und Automatismus. Diese Beschränkung ist allerdings essentiell für das MARXsche Verständnis des Verhältnisses zwischen capital fixe und capital circulant, obwohl er andererseits diese Grenzen bereits damals, vor mehr als 100 Jahren, wahrnahm. Wir kommen weiter unten auf dieses Thema zurück.

Erkannte (Natur-)Gesetze werden also zur stillen Präsumption des eigentlichen ``Produktionsprozesses'', d.h. (richtiger) planmäßiger und zweckorientierter Arbeit:

Nicht in der geträumten Unabhängigkeit von den Naturgesetzen liegt die Freiheit, sondern in der Erkenntnis dieser Gesetze und in der damit gegebenen Möglichkeit, sie planmäßig zu bestimmten Zwecken wirken zu lassen.

Inwieweit dieses Entdecken der Naturgesetze selbst mit Arbeit verbunden ist und sich damit in die gesellschaftliche Gesamtarbeit einordnet, bleibt völlig offen. Daß zudem die so gewonnene Freiheit des Gesamtarbeiters die des Individualarbeiters impliziert, ist angesichts des oben explizierten permanenten Konflikts zwischen beiden mehr als fraglich.

Da andererseits mit dem Einsatz von Werkzeugen zur Potenzierung der menschlichen Geisteskraft Fragen der Bewertung geistiger Reflexionsleistungen eine zunehmend wichtige Rolle spielen werden, wollen wir uns im folgenden auf die damit zusammenhängenden Fragen konzentrieren.

Körperliche und geistige Arbeit

Noch zu Marxens Zeiten war die Antwort (Kapital, Kap. 13) einfach:

Ein Wasserrad ist nötig, um die Bewegungskraft des Wassers, eine Dampfmaschine, um die Elastizität des Wassers auszubeuten. Wie mit den Naturkräften verhält es sich mit der Wissenschaft. Einmal entdeckt, kostet das Gesetz über die Abweichung der Magnetnadel im Wirkungskreis eines elektrischen Stroms oder über Erzeugung von Magnetismus im Eisen, um das ein elektrischer Strom kreist, keinen Deut. Aber zur Ausbeutung dieser Gesetze für Telegraphie usw. bedarf es eines sehr kostspieligen und weitläufigen Apparats.

Wissenschaftliche Reflexionsleistungen, einmal vollzogen, werden in diesem Verständnis also kostenfrei in den Verwertungsprozeß einbezogen; einzig die, aber schon wieder aktorische, Produktion der entsprechenden Maschinen verursacht Kosten [9].

Gesamtgesellschaftlich kann der Aufwand für die Reflexionsleistung natürlich keineswegs außer Ansatz bleiben. Allerdings ist Wissen und Wissensreproduktion, kurz Wissenschaft, ein relativ selbständiges Gebiet im gesamtgesellschaftlichen Reproduktionsprozeß, das sich lange Zeit in außerökonomischen Strukturen unter den Fittichen der jeweils herrschenden Klasse und dem Einsatz eines Teils des von ihnen angeeigneten Mehrprodukts reproduzierte. Dies bezieht sich auf antike Philosophenschulen genauso wie mittelalterliche Klosterschulen und Universitäten unter der Ägide der Kirche oder aber von vermögenden Bürgern unterstützte städtische Universitäten.

Darüberhinaus reproduzierte sich dieser Teil des Gesamtarbeiters vor allem über Personen, denen dabei auch andere subsidiäre Quellen offenlagen, die oft ob des hohen Ansehens ``gelehrter Personen'' reichlich flossen (man denke an die wichtigsten Personen im Dorf: Pfarrer, Lehrer und Bürgermeister). Allerdings lag deren Bewertung im Gegensatz zu aktorisch-produktiven Leistungen dabei kein Maß der (konkreten) Individualarbeit zu Grunde, sondern mehr ein sich vor allem in gesellschaftlicher Reputation ausdrückendes Maß des Arbeits vermögens. Dies ist nur zu verständlich, hat doch eine aktuelle Reflexionsleistung die Subsumierung vergangener solcher Reflexionsleistungen zur Voraussetzung, d.h. nur ein enger dafür präpositionierter und präparierter Personenkreis war dazu überhaupt in der Lage. Dies stand ganz im Gegensatz zur großen Masse der körperlich arbeitenden Individuen, für die eine solche Vorbereitung auf die Individualarbeit nicht notwendig war bzw. diese einen derart geringen Umfang ausmachte, daß sie in den Reproduktionsprozeß der Großfamilie ausgelagert werden konnte.

Wir haben es hier also mit einer für Privateigentumsverhältnisse sehr interessanten Inkarnation des Imperativs ``Eigentum verpflichtet'' zu tun: der indirekten Alimentation einer Funktionalität des Gesamtarbeiters durch eine, ökonomisch ebenso höchstens indirekt sinnvolle, Alimentation von Individualarbeit [10].

Dieser qualitative Unterschied in der Bewertung von körperlicher und geistiger Arbeit setzt sich in modifizierter Form bis heute fort: den in entsprechenden, zu großen Teilen staatlichen Institutionen zusammengefaßten Geistesarbeitern wird über ihr Gehalt und die Festlegung ihrer Arbeitsaufgaben die Reproduktion auch ihres Reflexionsvermögens alimentiert [11], während dies für den Muskelarbeiter, sofern es ihn in Reinkultur überhaupt noch gibt, ein selbst steuerlich nur beschränkt abziehbares Privatvergnügen darstellt.

Zwei Unterschiede gibt es dennoch. Dies ist zum einen die Herausnahme von Teilen der Reproduktion des Reflexionsvermögens des Muskelarbeiters aus dem familiären Reproduktionsprozeß durch inzwischen generell staatlich alimentierte Grund- und partiell staatlich alimentierte Berufsbildung [12], die den immer komplexeren Bedingungen der modernen Produktion geschuldet ist.

Zum anderen handelt es sich um die deutliche Tendenz, die oben beschriebene indirekte Alimentierung der Wissens- und Wissensträgerreproduktion zunehmend aus marktwirtschaftlichen Zusammenhängen herauszuhalten und dem Gemeinwesen zu übertragen. Besonders eindrucksvoll wird dies durch den fast vollständigen Zusammenbruch der ostdeutschen Industrieforschung demonstriert.

Arbeit und Wissenschaft

Es ist an der Zeit, endlich auch einmal einen genaueren Blick auf die Strukturen selbst zu werfen, die sich zur Reproduktion der Reflexionsfähigkeit der menschlichen Gemeinschaft herausgebildet haben. Sehen wir uns dazu einige Ausführungen von H. HöRNIG in [PWB] zum Thema ``Wissenschaft'' an:

Die Entstehung und Entwicklung der Wissenschaft ist letzten Endes bedingt durch die produktive Auseinandersetzung der Menschen mit ihrer äußeren Natur; sie ist Ergebnis der wachsenden Macht ihres praktischen Handelns. Alle großen Neuerungen der Wissenschaft haben ihren Ausgangspunkt in der Praxis, vor allem in der materiellen Produktion und finden ihre Verwirklichung in der Praxis.

Eine solche vordergründige Orientierung am Nutzen kann nach unseren bisherigen Ausführungen nicht überraschen, ebensowenig allerdings im folgenden deren Relativierung, weil Wissenschaft eben zuerst Reflexionsleistung und nicht verändernde Tätigkeit beinhaltet. Halten wir jedoch fest, daß Wissenschaft hier wiederum eindeutig als unmittelbarer Teilprozeß des gesellschaftlichen Gesamtarbeitsprozesses, also als allgemeine Arbeit, charakterisiert wird, der sich, entsprechend dem bereits weiter oben entwickelten Szenario, wesentlich aus der Reproduktion bisheriger und der Produktion neuer Reflexionsleistungen in stetig wachsender raum-zeitlicher Dimension speist. Dies erfährt im weiteren ebenso seine Vertiefung wie die Nutzorientierung ihre Relativierung:

Die Wissenschaft ist allgemein gekennzeichnet durch den Prozeß der Erarbeitung von Wissen und das geschichtlich entstandene System wissenschaftlicher Erkenntnis bzw. einzelner Wissenschaften. Beide Seiten stehen in einem engen wechselseitigen Zusammenhang und bedingen einander. [...]
Die Erarbeitung und Aneignung des Wissens ist ein schöpferischer und gesellschaftlicher Arbeitsprozeß. Die wissenschaftliche Arbeit ist [...] allgemeine Arbeit. [...]
Wissen ist Voraussetzung und Ergebnis wissenschaftlicher Tätigkeit. [...] Aus der Sicht ihrer Ergebnisse ist Wissenschaft ein historisch entstandenes System von Wissen über die Natur, die Gesellschaft und das Denken, dem objektive (relative) Wahrheit zukommt. Dieses System von Wissen wird in Begriffen, Aussagen, Theorien und Hypothesen fixiert. [...] Das wesentlichste Element der Wissenschaft ist das theoretische Wissen. Es entsteht durch Ordnen von bekannten Erscheinungen, Zusammenhängen und Erkenntnissen, durch Abstraktion und Systematisieren.

Die hier vorgenommene Beschränkung auf Kompression von Reflexionsleistungen in (gedanklichen) Begriffs- und Theoriegebäuden hängt damit zusammen, daß HöRNIG Mindestanforderungen an diese Kompression stellt, ab der er eine solche erst als Wissenschaft anerkennt. Zusammenfassung und Systematisierung von Erfahrungen allein reicht dafür nicht aus. Wir wollen diesen Gedanken hier nicht weiter verfolgen, sondern zur Kenntnis nehmen, daß für den Produktionsprozeß bisherigen Umfangs die Kompression von Reflexionsleistungen in Erfahrungen, Produkten und insbesondere Werkzeugen eine unmittelbarere Bedeutung hat. Die damit erfolgende Verschmelzung von Reflexions- und aktorisch-produktiver Leistung zu einem im Ergebnis einheitlichen Ganzen erleichtert es dann allerdings auch, diese den klassischen, über Austauschprozesse vermittelten Bewertungsmechanismen zu unterziehen. Dies bedingt allerdings bei den gegenwärtigen Austauschverhältnissen, wie wir noch sehen werden, die Sicherung exklusiver Verfügungsgewalt nicht nur über die materiellen Ressourcen, sondern auch über die dabei verwendete Reflexionsleistung; ein gravierender Widerspruch zum gesamtgesellschaftlichen Charakter des Wissensreproduktionsprozesses, der um so stärker zum Tragen kommt, je einfacher es wird, die Reflexionsleistung vom eigentlichen Produkt zu trennen.

Die ``reine Wissenschaft'' betreffend heißt es weiter:

Die wissenschaftliche Erkenntnis ist eingebettet in den gesamtgesellschaftlichen Arbeitsprozeß. Die Wissenschaft kann nur in diesem Zusammenhang zur Produktivkraft werden. Ursprünglich mittelbar in die praktische Produktionstätigkeit eingeschlossen, ist die Wissenschaft infolge der Teilung von körperlicher und geistiger Arbeit in ständig steigendem Maße zu einem speziellen Gebiet der gesellschaftlichen Arbeitsteilung geworden. Dieser Bereich der gesellschaftlichen Arbeit umfaßt eine große und wachsende Zahl wissenschaftlicher Einrichtungen, wissenschaftlicher Arbeiter und wissenschaftlicher Organisationen.
Dieser Prozeß der Vergesellschaftung der Wissenschaft hat aus ihr eine bedeutende Institution werden lassen, die gewaltige materielle Mittel zu ihrem Unterhalt benötigt.

Halten wir zuerst fest: Auch HöRNIG konstatiert, daß in der bisherigen Entwicklung des Gesamtarbeiters hin zur Beherrschung immer komplexerer Zusammenhänge ein großer und steigender Anteil desselben mit Reflexionsleistungen beschäftigt ist, wobei wir weiter unten sehen werden, daß sogar eine ständige Verschiebung der relativen Gewichtung zwischen aktorisch-produktiven und reflektorischen Leistungen zugunsten letzterer zu verzeichnen ist.

Die im Zitat verwendete Formel ``Wissenschaft als Produktivkraft'' könnte in diesem Kontext in der Formel ``Wissenschaft als entscheidende Produktivkraft'' präzisiert werden, als, erstmals im Laufe der Entwicklung der menschlichen Gesellschaft, Dominanz der reflektorischen Komponente des gesamtgesellschaftlichen Arbeitsprozesses über die aktorisch-produktive. Dies würde implizieren, daß der Mensch in entscheidenden Teilen neben den eigentlichen Prozeß der unmittelbaren materiellen Reproduktion seiner eigenen Lebensgrundlagen, den Produktionsprozeß im engeren Sinne, tritt und sich der Schwerpunkt seiner Arbeitstätigkeit auf eine (zudem immer mittelbarere) reflektierende Begleitung desselben verschiebt. Nach unseren bisherigen Ausführungen kann es sich dabei allerdings nicht um die Herrschaft der einen über die andere Komponente des Gesamtarbeiters handeln, da nur in deren Zusammenspiel die zu erbringende Reproduktionsleistung möglich wird. Aber selbst eine Verschiebung der Gewichte, des Zentrums des Gesamtarbeiters, in dessen reflektorische Komponente stellt, wie wir unten noch genauer sehen werden, die derzeit dominierenden Produktions- und Verteilungsverhältnisse als dafür unangemessen in Frage.

Bei HöRNIG wird diese Formel allerdings in der engeren, in der Folge oft wohlfeilen und kanonisierten Auslegung ``Wissenschaft als unmittelbare Produktivkraft'' verwendet, die unterstellt, daß die alleinige Erweiterung des Begriffs der nützlichen Arbeit um die Komponente des nützlichen Wissens ausreicht, um den im Gesamtarbeitsprozeß entstehenden Reflexionsbedarf zu berücksichtigen. Wir finden hier wieder die guten Traditionen europäischen deterministischen Denkens, das übrigens in der Steuerungs- und Regelungseuphorie der ersten Kybernetikwelle einen seiner Gipfel hatte. Daß komplexe Systeme auf eine solche Weise nicht zu reflektieren sind, war bereits damals in Ansätzen deutlich und ist heute Gegenstand verschiedener philosophischer und auch schon mathematischer Zugangsversuche. Abgesehen davon, daß selbst im Sinne der Produktivkraftdefinition in [PWB] Wissenschaft immer Produktivkraft war, wird mit einem solch eingeengten Verständnis die fundamentale Bedeutung der Eigenständigkeit der reflektorischen Leistung des Gesamtarbeiters nicht genügend berücksichtigt.

Arbeit und Bildung

Zur durch den Gesamtarbeiter zu vollbringenden Reproduktionsleistung des Reflexionsvermögens der menschlichen Gemeinschaft gehört auch die adäquate Reproduktion des Reflexionsvermögens des Individualarbeiters im allgemeinen. Die Bedeutung dieses Teils des Reproduktionsprozesses ist eng korreliert mit der raum-zeitlichen Dimension des auch durch den aktorisch-produktiv tätigen Individualarbeiter durchschnittlich zu beherrschenden Wirkzusammenhangs. Da wir gesehen haben, daß die Erschließung neuer solcher Horizonte eine inhärente Eigenschaft des Gesamtarbeitsprozesses ist, wächst damit auch die Bedeutung von (allgemeiner) Bildung ständig an, wobei in der Geschichte der sprunghaft wachsende Bildungsbedarf an einer Sprungstelle der Produktivkraftentwicklung meist auch zur Reorganisation der bisher entwickelten Reproduktions formen dieses Reflexionsvermögens zwang. Mit der bevorstehenden Potenzierung der menschlichen Geisteskraft steht aber wiederum gerade ein solcher Produktivkraftschub ins Haus.

Eine besondere Bedeutung hat die Wissenschaft als Bildungsfaktor. In diesem Zusammenhang nimmt sie im gesellschaftlichen Reproduktionsprozeß einen relativ selbständigen Platz ein, indem sie für alle Bildungsformen die notwendigen Wissensgrundlagen und die Methoden des Erwerbs von Wissen ausarbeitet und vermittelt. [...] Der sozialistische Staat ermöglicht jedem Werktätigen, sich durch allseitige und kontinuierliche Bildung die Wissenschaft anzueignen. [...]

Brechen wir mit diesem verklausulierten kategorischen Imperativ das Zitat von HöRNIG ab, da die folgenden Elogen auf die sozialistische Gesellschaft heute wohl nur noch von historischem Interesse sind. Wir werden weiter unten auf die Bedeutung auch von Bildungsbedürfnissen für gesellschaftliche Strukturierungsprozesse noch einmal zurückkommen.

Zum Wert von Wissen

In unseren bisherigen Ausführungen wurde deutlich, daß die für eine Vermittlung des Gegensatzes von Gesamt- und Individualarbeiter wichtige Be wertung von Reflexionsleistungen und Informationen allgemein sehr eigenwilligen Spielregeln folgt. Wir wollen deshalb an dieser Stelle einige Überlegungen zu einem solchen Bewertungsverfahren einschieben.

Greifen wir wieder zuerst zu [PWB] und schlagen unter dem Stichwort ``Wert'' (Autor: W.P. EICHHORN) nach. Dort wird vor allem auf die bei MARX zentralen drei Aspekte des Wertbegriffs in Bezug auf Produkte menschlicher Arbeitstätigkeit hingewiesen,

Die entscheidende Bedeutung, die jedem Bewertungsvorgang im Rahmen des gesamtgesellschaftlichen Reproduktionsprozesses zukommt, liegt sicher im dritten Punkt: er soll ein objektives Maß zur Verfügung stellen, nach dem sich dieser Reproduktionsprozess optimieren kann.

Die herausragende Leistung von MARX liegt zweifellos darin, diesen werttransportierenden Mechanismus für den kapitalistischen Produktionsprozeß in den von ihm betrachteten Dimensionen sehr detailliert und schlüssig herauspräpariert zu haben. Für das an dieser Stelle für uns vor allem wichtige Verhältnis von lebendiger und vergegenständlichter Arbeit wird ein rekursives Bewertungsverfahren beschrieben: Der in einem früheren Bewertungsverfahren gefundene Wert der vergegenständlichten Arbeit wird durch den aktuellen Produktionsprozeß ganz (Arbeitsgegenstand, capital circulant) bzw. teilweise (Arbeitsmittel, capital fixe) auf das Produkt übertragen, welches dann, einschließlich der zu seiner Herstellung aufgewendeten lebendigen Arbeit, einer neuen Bewertung auf dem Markt unterzogen wird. Die Wertdifferenz als Ausdruck des Werts der neu vergegenständlichten Arbeit teilt sich dann auf in notwendige Arbeit und Mehrwert etc. Wert in diesem Sinne mißt vor allem die gesellschaftlich notwendige Arbeits zeit. Als Optimierungsmaß führt diese Art der Bewertung zum Gesetz von der Ökonomie der Zeit [13]. Zeit ist auch zugleich das Maß, mit dem Arbeitskraft gemessen und nach dem sie bezahlt wird, wenn wir einmal die subtile Unterscheidung zwischen Lohn und Gehalt, zu der wir uns schon oben kurz geäußert hatten, außer acht lassen.

Halten wir an dieser Stelle drei Dinge fest, ehe wir den Meister selbst zu Wort kommen lassen wollen: Zum einen hat diese Art rekursiver Bewertung Prozeßcharakter und ist damit wie jeder Prozeß an wohlbestimmte zeitliche Dimensionen gebunden. Für eine kapitalvermittelte Wertbestimmung wird diese ganz wesentlich durch die Zirkulationszeit bestimmt, die, indirekt proportional in die Profitrate eingehend, mit der durchschnittlichen Zirkulationszeit einen Risikohorizont für Investitionen schafft, der nur durch genaue Marktprognosen, also wiederum Reflexionsleistungen, aufgeweitet werden kann. Das Bestreben, jegliche menschliche Arbeitsleistung dem kapitalistischen Verwertungsprozeß zu unterwerfen, ist aus dieser Perspektive ebenso verständlich wie zum Scheitern verurteilt, sobald die zu bewertende Arbeitsleistung sich in anderen raum-zeitlichen Dimensionen realisiert. In diesem Sinne steht bei MARX der Begriff ``Produktionsprozeß'' stets auch für Arbeit einer ganz bestimmten solchen Dimension, womit er nicht mehr generell als Synonym für ``Arbeitsprozeß'', besonders in dessen hier zu untersuchender Neudimensionierung, taugt. Weiter oben haben wir deshalb bereits vom Produktionsprozeß im engeren Sinne gesprochen.

Zum zweiten ist eine realistische Bewertung gesellschaftlich notwendiger Arbeit auf dem Markt nur in Anwesenheit einer genügenden Anzahl voneinander unabhängiger Anbieter möglich. Die mit der Monopolpreisbildung verbundene Möglichkeit der Eigenbewertung von Arbeit führt regelmäßig dazu, daß sich der Eigentümer über den Gesamtarbeiter stellt und dieser andere Mechanismen (bis hin zu Kartellrecht und staatlichem Eingriff in das Preisbildungssystem) einsetzen muß, um dem Eigentümer gegenüber seinen Bestimmungsanspruch durchzusetzen. Diese Art der Aushöhlung der Bewertungsmechanismen ist aber im Wachsen begriffen. Einmal durch die mit der wachsenden Dimension des Arbeitsprozesses notwendigen Konzentration des Kapitals, womit sich die relative Selbständigkeit des Eigentümers gegenüber dem Gesamtarbeiter auf raum-zeitlich neuem Niveau reproduziert, ohne daß dabei effektive Instrumente der Durchsetzung von Fremdbestimmung in Aussicht stehen. Hier werden sicher zivilgesellschaftliche Strukturen, insbesondere die Installation von Gegenmächten, eine entscheidende Rolle spielen müssen. Zum anderen durch die, mit Outsourcing-Strategien vielfach über einen (Pseudo-)Markt vermittelte, weiter wachsende Spezialisierung und Arbeitsteilung im engeren Produktionsprozeß, die den Produzenten zunehmend in die Rolle eines Spezialisten versetzt und ihm erlaubt, in gewissen Rahmen dem Konsumenten seine Bedingungen zu diktieren [14]. Preisbildung auf dieser Grundlage ist nicht mehr Aufwandsmaß, d.h. die Frage, zu welchem Minimalpreis die Ware auf den Markt gebracht werden kann, sondern Nutzenmaß, d.h. die Frage, zu welchem Preis sich (noch) Abnehmer finden [15].

Und schließlich verlangt die marktwirtschaftliche Bewertung des geschaffenen Gebrauchswerts exklusive Verfügungsgewalt über das Produkt, um dessen Eingang als vergegenständlichter Wert in zukünftige Bewertungsverfahren zu ermöglichen. Einen solchen Übergang von an Eigentumsrechte gebundener Verfügungsgewalt kann man aber, wenigstens in seiner klassischen Form, wohl nur für materielle Produkte sichern. Dagegen kann es ein solches dingliches Eigentum an Wissen und allgemeiner Information nicht geben. Wissen hat stets den immanenten Drang in sich, Allgemeingut zu werden. Wissen hat in diesem Verständnis also in der Tat höchstens als an einen materiellen Gegenstand gebundenes ``nützliches Wissen'' die Chance bewertet zu werden und geht dann wie ein Arbeitsmittel in den Bewertungsprozeß ein. Genau wie das Maschinenprodukt mit jedem Exemplar ein Stück der (durchschnittlichen) Herstellungskosten der Maschine selbst davonträgt, tritt hier Wissen als ein Stück spezieller Produktivkraft auf. Für eine solche Einbeziehung muß man aber sichern, daß anderen dieselben durchschnittlichen Kosten für dasselbe Wissen entstehen: man muß die Taube auf dem eigenen Dachboden gefangenhalten, statt sie in die freie Welt fliegen zu lassen, und damit den Charakter des Wissens als allgemeine Produktivkraft, als gesamtgesellschaftliches Ereignis, vergewaltigen. Immanente Voraussetzung für die Einbeziehung von Wissen in die (marktwirtschaftliche) Bewertung ist also die Kontrolle über dessen Weitergabe, sprich Duplikation, in den Händen des Erzeugers. Er muß mit allen Mitteln verhindern, daß in Ansatz zu bringendes Wissen Allgemeingut wird. Autorenrechte und Lizensierungsverfahren sind die Folge, die Freizügigkeit von Wissen als eine seiner Grundfunktionalitäten wesentlich einschränkend.

Das Funktionieren des kapitalistischen Verwertungsprozesses für Wissen hat also rigorose Beschränkungen für dessen kommunikative Komponente zur Voraussetzung. Besonders kraß und absurd wird diese Frage, wenn Information selbst, wie zunehmend im Informationszeitalter gefordert, einer Bewertung unterliegt. Darauf kommen wir weiter unten noch zurück.

Doch lassen wir MARX selbst zu Wort kommen. Mit Hinblick auf die sich im Rahmen der (ersten) industriellen Revolution abzeichnenden Entwicklungen heißt es bei ihm, seine gesamte bisherige ökonomische Theorie relativierend ([Marx, S. 592 ff.]):

In dem Maße aber, wie die große Industrie sich entwickelt, wird die Schöpfung des wirklichen Reichtums abhängig weniger von der Arbeitszeit und dem Quantum angewandter Arbeit als von der Macht der Agentien, die während der Arbeitszeit in Bewegung gesetzt werden und die selbst wieder [...] in keinem Verhältnis steht zur unmittelbaren Arbeitszeit, die ihre Produktion kostet, sondern vielmehr abhängt vom allgemeinen Stand der Wissenschaft und dem Fortschritt der Technologie [...] Die Arbeit erscheint nicht mehr so sehr als in den Produktionsprozeß eingeschlossen, als sich der Mensch vielmehr als Wächter und Regulator zum Produktionsprozeß selbst verhält.

Die Bedeutung der strukturierenden Kraft, die diese Macht der Agentien erst für den Produktionsprozeß (hier ganz klar: im engeren Sinne) zähmt, wird deutlich erkannt; gleichwohl steht ihr der Autor ziemlich ratlos gegenüber, wenn es um Mechanismen geht, die in ihnen vergegenständlichte Reflexionsleistung zu bewerten. Die von ihm selbst unmittelbar vorher betrachteten Mechanismen eines capital fixe, die ja Arbeits zeitmaß sind, scheinen ihm jedenfalls dafür nicht auszureichen:

In dieser Umwandlung ist es weder die unmittelbare Arbeit, die der Mensch selbst verrichtet, noch die Zeit, die er arbeitet, sondern die Aneignung seiner eignen allgemeinen Produktivkraft, sein Verständnis der Natur und die Beherrschung derselben durch sein Dasein als Gesellschaftskörper -- in einem Wort die Entwicklung des gesellschaftlichen Individuums, die als der große Grundpfeiler der Produktion und des Reichtums erscheint.

Wir sind damit wieder dort angekommen, wo wir bereits im Abschnitt 2.4 waren: Das alle reflexive Leistung des Gesamtarbeiters aufsaugende Arbeits vermögen des Individualarbeiters als der entscheidende Grundpfeiler von Produktion (hier durchaus auch im weiteren Sinne), allerdings eben nicht nur einer besonderen Spezies von Individualarbeiter wie noch dort, sondern generell. Auch aus dieser Sicht löst sich die Trennung zwischen körperlicher und geistiger Arbeit zunehmend auf; wir werden dies unten noch weiter vertiefen. Allerdings kann dieses Arbeitsvermögen nicht alleiniges Wertmaß sein, da es, wenn überhaupt meßbar, allein die potenziellen Fähigkeiten des Individualarbeiters auszudrücken vermag und damit nicht zum objektiven Maß zur Optimierung des gesamtgesellschaftlichen Reproduktionsprozesses taugt.

Sobald die Arbeit in unmittelbarer Form aufgehört hat, die große Quelle des Reichtums zu sein, hört auf und muß aufhören die Arbeitszeit sein Maß zu sein und daher der Tauschwert das Maß des Gebrauchswerts. [...] Die freie Entwicklung der Individualitäten, und daher nicht das Reduzieren der notwendigen Arbeitszeit um Surplusarbeit zu setzen, sondern überhaupt die Reduktion der notwendigen Arbeit der Gesellschaft zu einem Minimum, der dann die künstlerische, wissenschaftliche etc. Ausbildung der Individuen durch die für sie alle freigewordne Zeit und geschaffnen Mittel entspricht.

Die hier aufgezeigte Konsequenz ist keineswegs die Vision einer kommunistischen Gesellschaft, auch wenn sie in vielem so klingen mag. Im Gegenteil, hier wird beschrieben, wie in einem gewissen Stadium der industriellen Revolution [16] der bestimmende Teil des gesamtgesellschaftlichen Reproduktionsprozesses den raum-zeitlichen Rahmen des Produktionsprozesses im engeren Sinne sprengt und die reflektorische Komponente des Gesamtarbeiters eine Aufwertung zu dessen dominierender Komponente erfährt. Wir sind wieder bei der bereits im Abschnitt 2.5 im Konjunktiv diskutierten Formel ``Wissenschaft als entscheidende Produktivkraft'' und können den dortigen Ausführungen hinzufügen, daß eine derartige Verschiebung von Schwerpunkten auch eine Neudefinition von Bewertungsverfahren erfordert. Dabei wird auch das Gesetz von der Ökonomie der Zeit,

das Reduzieren der notwendigen Arbeitszeit um Surplusarbeit zu setzen,

durch ein allgemeineres zu ersetzen sein, das einen effektiv organisierten Produktionsprozeß im engeren Sinne für eine Effektivierung des Produktionsprozesses im weiteren Sinne zur Voraussetzung macht. Offen bleibt allein, wie dieses neue, übergreifende Wirkprinzip, nach dem die Arbeitsleistung des Individualarbeiters durch den Gesamtarbeiter zu bewerten ist, denn nun aussehen mag.

Daß dieser Konjunktiv in Wirklichkeit Zielpunkt einer mit unbarmherziger Konsequenz aus der Kapitallogik folgenden Entwicklung ist, beschreibt MARX so:

Das Kapital ist selbst der prozessierende Widerspruch dadurch, daß es die Arbeitszeit auf ein Minimum zu reduzieren stört, während es andrerseits die Arbeitszeit als einziges Maß und Quelle des Reichtums setzt. [...] Nach der einen Seite hin ruft es also alle Mächte der Wissenschaft und der Natur, wie der gesellschaftlichen Kombination und des gesellschaftlichen Verkehrs ins Leben, um die Schöpfung des Reichtums unabhängig (relativ) zu machen von der auf sie aufgewandten Arbeitszeit. Nach der andren Seite will es diese so geschaffenen riesigen Gesellschaftskräfte messen an der Arbeitszeit, und sie einbannen in die Grenzen, die erheischt sind, um den schon geschaffnen Wert als Wert zu erhalten.

Deutlicher noch heißt es zu diesem Thema bei KURZ ([Kurz, S. 106]):

Trotz ihrer Zerstörungskraft gegenüber Mensch und Natur ist die Konkurrenzmaschine gleichzeitig negative Emanzipation, indem sie durch ihre ununterbrochene Produktivkraftentwicklung unvermeidlich bis an die Schwelle einer ``Abschaffung der Arbeit'' gelangt, d.h. der abstrakten, repetitiven, allein ``wertproduktiven'' Produktionsarbeit; damit hebt sie freilich auch ihren eigenen inneren Grund auf und macht sich selbst obsolet. Die inhaltliche Vernetzung der Reproduktion zu einem Gesamtsystem direkter Vergesellschaftung steht im Gegensatz zu den Warenkategorien, aber das zum Selbstzweck ausgeformte warenproduzierende System selbst ist es ja, das diese Verwissenschaftlichung und Vernetzung erst schafft und somit, bewußtlos seinem beschränkten, ``sinnlosen'' Zweck folgend, sein eigenes Gegenteil hervorbringt. Die Konkurrenz arbeitet, ohne es zu wissen und zu wollen, an der Zerstörung ihrer eigenen Grundlage.

Die Lösung dieser Wertkrise ist also, unabhängig von einer Transzendenz gesellschaftlicher Verhältnisse, immanentes Erfordernis, wenn man das oben beschriebene neue Abstraktionsniveau des Gesamtarbeiters erreichen will.

Arbeit im Kommunismus

Stellen wir nun den Überlegungen des letzten Abschnitts die Vision einer sozialistischen und kommunistischen Zukunft gegenüber, wie sie etwa G. HEYDEN unter dem Stichwort ``Arbeit'' in [PWB] aus den bisherigen Überlegungen ableitet:

Im Sozialismus und Kommunismus ist die Arbeit unmittelbar gesellschaftlich und nimmt in zunehmendem Maße wissenschaftlichen Charakter an, d.h. sie wandelt sich grundlegend, sie wird zur freien Arbeit freier Produzenten. ``Die Arbeit der materiellen Produktion kann diesen Charakter nur erhalten dadurch, daß erstens ihr gesellschaftlicher Charakter gesetzt ist, zweitens, daß sie wissenschaftlichen Charakters, zugleich allgemeine Arbeit ist, nicht Anstrengung des Menschen als dressierte Naturkraft, sondern als Subjekt, das in dem Produktionsprozeß nicht in bloß natürlicher, urwüchsiger Form, sondern als alle Naturkräfte regelnde Tätigkeit erscheint.''
Die schöpferische Arbeit der sozial gleichen und hochgebildeten Arbeiter kennzeichnet die zum ersten Lebensbedürfnis gewordene Arbeit im Kommunismus.

Die Frage der Vergesellschaftung der Produktion einmal außer acht gelassen [17], stimmt dieses Bild so genau mit den von uns mit Blick auf die Potenzierung menschlicher Geisteskraft primär aus dem Studium der Produktivkraftentwicklung gezogenen Schlußfolgerungen überein, daß sich sofort die Frage erhebt, ob nicht die im gesamtgesellschaftlichen Rahmen strukturelle Bewältigung dieses Produktivkraftschubs der eigentliche Kern einer sozialistischen Vision sein muß. Dies zeigt, daß die prognostizierten Inhalte dieser Vision durchaus ihre Berechtigung haben, während die daraus abgeleiteten Formen wohl gründlich zu überdenken sind [18]. So weit zu G. HEYDEN.

G. KLAUS expliziert ebenda den visionären Gedanken dann noch wie folgt:

Die wissenschaftlich-technische Revolution schafft die reale technische Grundlage für einen grundlegenden Wandel im Charakter der Arbeit, die es den Menschen ermöglichen wird, eine neue Stellung im unmittelbaren Produktionsprozeß einzunehmen. [...]
Das Ergebnis dieser Entwicklung wird darin bestehen, alle schwere körperliche Arbeit, die den menschlichen Organismus einer ständigen Überbelastung aussetzt, zu beseitigen, die schematische geistige Arbeit an Maschinen und Automaten zu übergeben und damit zugleich den unter antagonistischen gesellschaftlichen Bedingungen entstandenen und extrem verschärften Gegensatz zwischen vorwiegend körperlich und vorwiegend geistig arbeitenden Menschen zu überwinden.
Die sich im Verlauf der wissenschaftlich-technischen Revolution vollziehenden Veränderungen der menschlichen Arbeitstätigkeit bzw. die neue Stellung des Menschen im gesellschaftlichen Produktions- und Reproduktionsprozeß werden vor allem durch folgende Tendenzen gekennzeichnet: Je mehr der Produzent aufhört, Bestandteil technischer Aggregate zu sein, desto mehr wird er schöpferischer Planer und Lenker der Produktionsprozesse. Entsprechend der veränderten Tätigkeit ist eine stärkere Disponibilität der Arbeiter notwendig, verändern sich auch die Berufe, die Berufsstrukturen und die Arbeitsteilung. Und nicht nur eine höhere Spezial- und Allgemeinbildung ist erforderlich, sondern -- angesichts der Komplexität der Prozesse, in denen der Mensch sich auskennen muß, um sie erfolgreich ausführen, planen und leiten zu können -- auch größere Disziplin (! vgl. zur ``freien Arbeit freier Produzenten'' -- HGG), neue moralische Qualitäten, die Fähigkeit, schöpferisches Glied bzw. Leiter eines bewußt organisierten Arbeitskollektivs zu sein, müssen entwickelt werden.

Diese Ausführungen verbinden nun erstmals (in diesem Text) die bisher im Konjunktiv bzw. Imperativ vorgebrachten Visionen eines tiefgreifenden Umbruchs der Arbeitsgesellschaft mit einem konkreter zeitlich terminierten technologischen Umbruch. Nehmen wir dies deshalb hier als eine Art Zusammenfassung der bisherigen Überlegungen und untersuchen im nächsten Kapitel genauer, welche der prognostizierten Elemente des Umbruchs der Arbeitsgesellschaft sich dabei bereits abzeichnen.

Die wissenschaftlich-technische Revolution [19]

Projizieren wir also die bisherigen allgemeinen Überlegungen auf den zu studierenden Transformationsprozeß und greifen dabei erst einmal wieder zu [PWB]. Die entsprechenden Überlegungen von K.-D. WüSTNECK sind auf die drei Stichworte ``wissenschaftlich-technische Revolution'', ``technische Revolution'' und ``wissenschaftlich-technischer Fortschritt'' verteilt. Bei der folgenden Lektüre gilt es natürlich, den mehr als 20 Jahre zurückliegenden Hintergrund stärker zu berücksichtigen als in den bisherigen Ausführungen.

wissenschaftlich-technische Revolution --- die im zweiten Drittel des 20. Jahrhunderts beginnende qualitativ neue Stufe des wissenschaftlich-technischen Fortschritts, deren Kernstück in dem Übergang der Arbeitsfunktion der unmittelbaren Steuerung und Regelung der Maschinen und Anlagen vom menschlichen Gehirn auf technische Steuerungs-, vor allem Regelungseinrichtungen besteht. Ihre technische Grundlage, ihr Hauptinhalt nach der materiell-technischen Seite, ist die Automatisierung der Maschinensysteme und Datenverarbeitungsprozesse. Wichtige Merkmale dieser neuen Stufe, der technischen Realisierung der Funktion der Steuerung, sind die wissenschaftliche und technische Beherrschung der Informationsverarbeitung in den Regeleinrichtungen, wie es z.B. die logische Verknüpfung von Informationen, ihre Speicherung, die programmierte Berechnung von optimalen Werten, Anpassung der Reaktionsweise durch Lernfähigkeit u.a.m. sind. Dadurch wird die Automatisierung der sog. ``geistigen Arbeit'' auch außerhalb der materiellen Fertigung schrittweise möglich. [...]

Die wissenschaftlich-technische Revolution entsteht aus der Notwendigkeit, die sich durch die immer komplexere Dynamik und Differenzierung der Steuerungsfunktion ergebende Belastung der entsprechenden psychischen Funktionen des Menschen abzubauen, diese Funktion rationell-wissenschaftlich, ökonomisch und qualitativ umfassender als bisher zu realisieren. Sie ändert die funktionelle Stellung des Menschen im Arbeitsprozeß qualitativ ausgeprägter als andere technische Revolutionen vor ihr, weil jetzt der Mensch neben den Fertigungsprozeß (als einem Teil des Arbeitsprozesses) tritt und seine Funktionen bei der Programmierung der Arbeit qualitativ neue Dimensionen annehmen.

Beim Schmunzeln über manche Passage aus obigem Text beachte man, daß es sich dabei nur zu kleinen Teilen um ``realsozialistischen Müll'' handelt [20], sondern mehrheitlich um einen Reflex auf die Kybernetikdebatte jener Zeit, die keineswegs in der DDR ihren Ausgangspunkt hatte. Der Optimismus, durch diese technischen Entwicklungen, die es erlauben, viele im unmittelbaren Fertigungsprozeß bisher von Menschen ausgeübte Funktionen durch Maschinen schneller, besser, genauer, billiger etc. ausführen zu lassen und den Menschen damit, aus welchen hehren oder hinterhältigen Motiven heraus auch immer, im Fertigungsprozeß [21] abzulösen, war ungebrochen (und ist es bei manchen noch immer). Kritische Stimmen wie [Weizenbaum], die auf den in ganz anderen raum-zeitlichen Dimensionen angesiedelten Reflexionsbedarf zur Beherrschung dieser neuen Technologien hinwiesen, begannen sich erst später stärker zu artikulieren. Auch heute, weitere 15 Jahre nach [Weizenbaum], stehen wir noch immer am Anfang einer ungeheuren technologischen Entwicklung, deren längerfristige Trends, Problemlagen oder gar Folgen nur sehr grob abzuschätzen sind. Das möge Heißsporne warnen, diese technischen und organisatorischen Entwicklungen in ein zu enges theoretisches Korsett einzuspannen.

Es gilt also im weiteren, diese neue Dimension des Reflexionsbedarfs genauer zu analysieren. Methodologisch hatte das durchaus auch bereits WüSTNECK im Visier:

Zur genaueren begrifflichen Bestimmung des wissenschaftlich-technischen Fortschritts und seiner Determination sind folgende vier Aspekte zu unterscheiden [...] :
1. Der technologische Aspekt [...]
2. Der technisch-ökonomische Aspekt [...]
3. Der wissenschaftsbezogene Aspekt [...]
4. Der soziale Aspekt der Entwicklung von Wissenschaft und Technik, insbesondere unter dem Gesichtspunkt der im Arbeitsprozeß vor sich gehenden Veränderungen. [...]
Es ist notwendig, diese letztgenannte Seite des Problems theoretisch allseitiger zu beleuchten, weil hier insbesondere auch der Schlüssel für das Verständnis der heutigen wissenschaftlich-technischen Revolution liegt. [...]

Dies empfand man als so wichtig, daß dafür ein eigenständiger Begriff, der der technischen Revolution, geprägt und dann auch expliziert wurde, um durch ihn Stufen einer technisch-technologischen Entwicklung mit spezifischen Organisations- und Reorganisationsformen des Arbeitsprozesses (wohl genauer: der Arbeitsgesellschaft) zu verbinden:

Eine technische Revolution ist eine solche, in der Gesamtentwicklung des Arbeitsprozesses auftretende qualitative Umwälzung eines bestimmten Bereichs der technischen Arbeitsmittel [...] , die in der Einführung eines funktionell grundlegend neuen Typs von technischen Arbeitsmitteln besteht, der eine bestimmte, und zwar für die Arbeit grundlegende Operation als Ganzes übernimmt und sie wirksamer bzw. produktiver durchführt als die entsprechenden menschlichen Arbeitsorgane. Damit entsteht nicht nur eine höhere Stufe der Beherrschung und Ausnutzung der Naturkräfte [...] , sondern auch der Charakter, die Funktion und die Stellung der Arbeit des Menschen im Arbeitsprozeß werden weiterentwickelt.

Die mit dieser Methodologie abgeleitete Stufenskala entsprach dann allerdings dem damaligen Verständnis und sei hier nicht wiederholt.

Gesellschaftliche Konsequenzen des neuen technologischen Umbruchs

Legen wir also [PWB] zur Seite und versuchen selbst, den derzeit ablaufenden grundlegenden technologischen Umbruch zu charakterisieren. Ein solcher läßt sich oft an einem Sprung in der technologisch beherrschbaren mittleren Energiedichte erkennen. In diesem Sinne steht die Mikroelektronik und die Miniaturisierung technischer Artefakte im Mittelpunkt der zu diskutierenden Entwicklungen. Die Möglichkeit, auf dieser technologischen Basis auch Informationen auf eine vollkommen neue Art und Weise zu erschließen, festzuhalten und zu verarbeiten ist eine wichtige, aber nicht die zentrale Konsequenz; wir werden auf diesen Aspekt erst im nächsten Kapitel näher eingehen. Die zentrale hier zu ziehende Schlußfolgerung besteht darin, daß mit diesen neuen technischen Artefakten menschliche Reflexionsleistungen einer neuen raum-zeitlichen Dimension in Theorien, Produkten, Strukturen etc. vergegenständlicht werden können und damit für den Alltag zur Verfügung stehen.

Sinn dieser Vergegenständlichung von Reflexionsleistungen ist es, einem white box/black box Modell folgend, die aus der detaillierten Analyse in der Vergangenheit gewonnenen Erkenntnisse in komprimierter Form gesamtgesellschaftlich verfügbar zu machen, d.h. jedermann, auch dem, der gar nicht in der Lage ist, diese Analyse selbst vorzunehmen, zur erschließen. Allerdings ist diese Nutzung nicht zum Nulltarif möglich: der Nutzer muß wenigstens die Spezifikation des zu nutzenden Produkts begreifen (können). Er muß nicht nur wissen, wozu man das Produkt verwenden kann, sondern auch, wie dies zu geschehen hat, d.h. welche Mechanismen zu welchem Zweck in Gang zu setzen sind und welche Folgen dies hat. Erst vor diesem ebenfalls wachsenden gesamtgesellschaftlichen kommunikativen Hintergrund ist ein technologischer Durchbruch in eine neue Dimension möglich.

Kurz gesagt, die wachsende Rolle technischer Artefakte einer neuen Reflexionsdimension verlangt von jedem Individualarbeiter eine neue Dimension der eigenen Bildung. Kreschnaks Optimismus

Heute lassen sich Erkenntnisse und Mittel der modernen Logik und Mathematik so zum Modellieren von Entscheidungsprozessen und zur Entscheidungsvorbereitung mit Hilfe leistungsfähiger Computer nutzen, daß Menschen mit normaler Bildung und ohne sonderliche Spezialkenntnisse immer besser solche Mechanismen überblicken können [...]

enthält einen sehr gefährlichen Trugschluß: Er mißt gestrigen Reflexionsbedarf mit der Elle morgiger Technik. Gerade die Diskussion zur Technologiefolgenabschätzung streicht den ungeheuer gewachsenen Kompetenzbedarf auch außerhalb enger Fachkreise heraus, um qualifiziert Entscheidungen entsprechend ihrer Tragweite fällen zu können. Dieser Kompetenzbedarf ist mittlerweilen so groß, daß zunehmend einzelne Menschen gar nicht mehr in der Lage sind, diese aufzubringen und damit Sachentscheidungen entsprechenden Entscheidungs strukturen übertragen werden. Daß bei der dabei notwendig wachsenden Kommunikation die oben genannten Werkzeuge eine wichtige innovative Rolle spielen, steht allerdings außer Frage.

Der mit der (ersten) industriellen Revolution bereits sprunghaft gewachsene Allgemeinbildungsbedarf, der durch die Einführung und staatliche (also gesamtgesellschaftliche) Absicherung der Schulpflicht bedient wurde, erfährt damit eine neue Dimension, auf die noch keine adäquate strukturelle Reaktion in Sicht ist. Im Gegenteil, eine aus kurzfristigen Erwägungen heraus betriebene rigide Sparpolitik greift hier Zukunftsreserven in einem Umfang an, der wohl mit dem ökologischen Raubbau durchaus auf eine Stufe gestellt werden kann. Daß deshalb Eltern mit Macht versuchen, ihren Kindern über das Abitur Zukunft offenzuhalten und so einen Run auf die Gymnasien auslösen, ist nur zu verständlich.

Mehr noch ändert sich auch das Berufsbild selbst klassischer ``einfacher'' Berufe grundlegend, da die Beherrschung entsprechender neuer technischer Artefakte zur Berufsausübung notwendig wird. Dies bezieht sich auf den kleinen Handwerker genauso (man schaue sich mal in so einer ``Hütte'' um!) wie auf den Facharbeiter in einem großen Unternehmen (zu dessen Berufsbild heute oft ein so umfangreiches technisches Wissen gehört, daß die Grenzen zum Ingenieur sich immer mehr verwischen) oder die Sekretärin, die als einfache Schreibkraft zunehmend ausstirbt, nachdem Texterfassungs- und Kopiersysteme das Zusammenstellen und insbesondere Vervielfältigen von Informationen grundlegend vereinfacht haben. Die Einbeziehung auch des aktorisch-produktiv tätigen ``Normalarbeiter'' in den modernen Produktionsprozeß hat also heute die Aneignung vergangener Reflexionsleistungen in einem solchen Maße zur Voraussetzung, daß sich die Grenzen zwischen körperlicher und geistiger Arbeit zunehmend verwischen. Dabei wachsen oftmals nicht nur die Anforderungen an die in die Berufsausübung einzubringenden Kenntnisse und Fertigkeiten, sondern auch ganz neue soziale Kompetenzen (Teamarbeit, Eigenverantwortlichkeit etc.) sind gefragt.

Es bleibt mit [Schubert] zu konstatieren [22]:

Wir erleben derzeit, wenn auch durch aktuelle krisenerscheinungen überdeckt, wie die produzenten aus ihren handwerklich präformierten arbeitsprozessen herausgerissen werden und ihre arbeitskraft fürs kapital nur noch gebrauchswert hat, wenn in ihr die ``allgemeine produktivkraft'', das ``gesellschaftliche gehirn'' (Marx) angeeignet ist.
Zwischen produzent und arbeitsprozeß schiebt sich gleichsam eine numerische datenwand, während sich der arbeitsprozeß enthierarchisiert. Neben sauberkeit, fleiß, ordnung und pünktlichkeit treten neue schlüsselqualifikationen, wie sie etwa in den ende der 80er jahre reformierten berufsbildungsplänen formuliert wurden (koordinierungsfähigkeit, abstraktionsfähigkeit, selbstkritikfähigkeit, teamfähigkeit usw.). Solange der kapitalistisch organisierte arbeits- und verwertungsprozeß fordistisch daherkam und nach taylors betriebswirtschaftlichem vernutzungskonzept hand- und kopfarbeit trennte und in entsprechende unterordnungsverhältnisse preßte, war die arbeitskraft durch eine ständisch gegliederte schule darauf prima vorbereitet, in der erziehung und bildung nach dem muster einer kadettenanstalt verabreicht wurde. Heute dagegen zeichnet sich ab, daß die mentalität eines katzbuckelnden werktätigen fürs moderne kapital keine vernutzungsqualität mehr besitzt.

Daß dieser neue, viel intensiver in einen stark enthierarchisierten Arbeitsprozeß einbezogene Arbeiter damit, wie in [PWB] behauptet und in [Kreschnak] repliziert,

[...] aufhört, Akteur innerhalb des Produktionsprozesses zu sein, [...] sich diesem Prozeß in dieser oder jener Weise zu unterwerfen [...] und statt dessen neben ihn tritt und so Kopf und Hände freibekommt,

ist allerdings nur für den Produktionsprozeß im engeren Sinne richtig. Zugleich besteht ein zunehmender Druck auf den Arbeiter, zur Reproduktion seiner ``Vernutzungsqualität'' den freien Kopf mit Wissen vollzustopfen und sich so die reflektorische Leistung des Gesamtarbeiters stets von neuem anzueignen. Da dies individuell sehr unterschiedlich geschieht und überdies im Laufe des Aneignungsprozesses eine vielfache Brechung erfährt, entsteht eine Vielzahl sehr verschiedener Individualarbeiter, die für unterschiedliche Produktionsprozesse von sehr verschiedenem Nutzen sind.

Die sehr unterschiedliche individuelle Kompetenz, die aus dieser individuell verschiedenen Aneignung der Kompetenz des Gesamtarbeiters resultiert, führt zum einen zu einer wachsenden Individualisierung und Spezialisierung und rückt zum anderen die kommunikativen Aspekte der Gesellschaft weit mehr in den Vordergrund als bisher. Die zunehmende individuelle Unvergleichbarkeit der Individualarbeiter entzieht zugleich einer objektiven marktwirtschaftlichen Bewertung von Aufwand-Nutzen-Verhältnissen zunehmend die Grundlage. Ein abstraktes, für alle gültiges Maß durchschnittlich aufgewandter Arbeits zeit ohne Berücksichtigung von Zwecksetzung und bereits vorhandener individueller Kompetenz, wie es noch für den fordistisch ``dressierten Gorilla'' zur Anwendung kommen konnte, wird vom Stand der Produktivkräfte zunehmend überrollt, auch wenn das neue Maß, der subjektive direkte Aufwand-Nutzen-Vergleich, noch in der alten Geldform daherkommt und von dieser vielfach deformiert wird. In diesen Zusammenhang ist wohl auch eher die in [Kreschnak] konstatierte Zunahme unternehmerischer Elemente im Individualarbeitsprozeß zu stellen, ob nun im Rahmen von ``team work'', ``outsourcing'' oder Objektlohn. Selbst die dabei in Größenordnungen entstehenden prekären Unternehmensverhältnisse fiktiv ``Selbständiger'' haben den Dinosauriern der Marktwirtschaft eines (wieder) voraus: Sie produzieren Gebrauchswerte, die auch ohne Marktvermittlung noch einen Wert hätten und, den Erhalt der lokalen Infrastruktur vorausgesetzt, den von [Kurz] vorausgesagten Marktzusammenbruch überstehen könnten [23]. Jedenfalls rückt hier bereits in der Warenwirtschaft wieder der Nutzen in den Vordergrund, den das Ergebnis eines mit der spezifischen individuellen Kompetenz des Auftragnehmers organisierter Arbeitsprozeß für den Auftraggeber hat.

Zugleich wird auch für den Unternehmer zur Produktion und Aneignung von Mehrwert, die Schubertsche Sentenz differenzierend, nicht allgemeine Arbeitskraft, sondern nur noch Arbeitskraft mit spezieller Kompetenz von Interesse. Die damit einhergehende Segmentierung des ``Arbeitsmarkts'' geht allerdings weit über die arbeitsamtlich getroffene hinaus. Die Navigation auf diesem Markt wird zunehmend schwierig; eine Marktlücke, die inzwischen selbst als profitables privatwirtschaftliches Betätigungsfeld entdeckt wurde. Eine entsprechende Selbstvermarktung nicht der eigenen Arbeitskraft, sondern der eigenen Kompetenz dürfte auch die heute noch strikten Grenzen zwischen Arbeits- und Unternehmertätigkeit in allernächster Zeit verwischen.

Zur neuen Dimension des Arbeitsbegriffs

Andererseits führt der massive Einsatz neuer vergegenständlichter Reflexionsleistungen zu einer sprunghaften Effektivierung des Reproduktionsprozesses in seinen bisherigen Dimensionen. Dies bezieht sich sowohl auf den Prozeß der materiellen Produktion selbst (Einsatz neuer Wirkprinzipien und Materialien, Automatisierung) als auch auf seine Organisationsformen, wo mit ``lean production'', ``outsourcing'' und ``just in time'' versucht wird, materielle durch organisatorische Reserven zu ersetzen und zu externalisieren. Dies ist Ausdruck des wohl fundamentalsten Bewegungsgesetzes komplexer Systeme, der Entwicklung in Richtung größtmöglicher Effektivität, und liegt, auf den kapitalistischen Austauschprozeß bezogen, der von Marx beschriebenen tendentiell sinkenden Profitrate zu Grunde. In dieser Gesetzmäßigkeit ist auch die Hauptursache für die ständig steigende Massenarbeitslosigkeit zu sehen: der mit der fordistischen Massenproduktion versuchte Ausgleich der tendentiell sinkenden Profitrate durch ein steigendes Produktionsvolumen hat ein Sättigungsniveau erreicht, das zu überschreiten sowohl aus ökologischer als auch innerkapitalistischer Räson nicht möglich sein wird.

Diese Tendenz des ständig abnehmenden Arbeitsvolumens bisherigen Außmaßes ist aber eine aus der Produktiv kraftentwicklung resultierende Konsequenz, den sich nach einer gewissen Reifezeit stabilisierenden erforderlichen Reproduktionsbedarf in der entsprechenden raum-zeitlichen Dimension effektiver, also mit immer weniger Ressourcen bewältigen zu können. Damit werden zugleich Ressourcen frei, um den, wie oben bereits abgeleitet, anliegenden Reflexionsbedarf der nächsthöheren raum-zeitlichen Dimension zu befriedigen. Diesen Umstieg zu bewältigen ist also eine dringliche Aufgabe moderner Industrienationen unabhängig von der Organisation ihrer gesellschaftlichen Beziehungen. Die in [Kurz] trefflich beschriebenen Parallelen der Mechanismen realsozialistischer und fordistischer Produktionsprinzipien zeigen zum einen, wie stark produktivkraftdeterminiert diese strukturbildenden Prozesse offensichtlich sind, weisen andererseits aber auch noch einmal darauf hin, daß diese ``sozialistische'' Antwort Antwort auf die falsche Frage war.

Wir sind damit also in der Tat am Ende der klassischen, marktwirtschaftlich regelbare raum-zeitliche Zusammenhänge erfassenden Arbeitsgesellschaft angekommen. Aber weder im Sinne ihrer Apologeten noch ihrer Fundamentalkritiker. Gegenstand der umfassenderen Reflexionsprozesse, auf deren Bewältigung gesamtgesellschaftlich Ressourcen in Größenordnungen konzentriert werden müssen, sind u.a. auch Fragen der weiteren Effektivierung des marktwirtschaftlich strukturierten Teils des materiellen Reproduktionsprozesses, der damit nicht abzuschaffen, sondern in umfassendere, zivilgesellschaftliche Strukturen einzubetten ist.

Eine wichtige Rolle werden dabei (alte, zu reorganisierende und neu zu bildende) gemeinschaftliche Strukturen entsprechend strategischer Ausrichtung spielen müssen, also vor allem die legislativen und juridikativen Elemente des Rechtsstaats, in die die sich auf demselben raum-zeitlichen Niveau wie die marktwirtschaftlichen Strukturen bewegenden exekutiven Elemente ebenfalls eingebettet sind. Eine klare Zweiteilung des Staatsbegriffes würde manche heute zu beobachtende Deformation deutlicher hervortreten lassen [24] und die Theorie des absterbenden Staates, die ja auch in der Zivilgesellschaftsdiskussion eine wichtige Rolle spielt, vom Kopf auf die Füße stellen.

Die Informationsgesellschaft

Wir haben oben gesehen, daß sich die Tätigkeit des Gesamtarbeiters in eine aktorisch-produktive und eine reflektorische Komponente aufspaltet und daß letztere mit dem Übergang zum Informationszeitalter eine zunehmende Bedeutung erhält. Die Rolle dieser reflektorischen Komponente, deren Wertstellungsaspekte wir bisher vorwiegend am Wissen, also an deskriptiven Informationsformen untersucht haben, soll im folgenden ein wenig genauer beleuchtet werden.

Wenden wir uns dazu zuerst einmal der Frage dazu, was man unter Information zu verstehen hat. Eine konsistente Definition dieses Begriffes zu geben ist außerordentlich schwierig, wenn nicht gar unmöglich. So zog sich der Nobelpreisträger M. Eigen in seinem Festvortrag auf der Jahrestagung der Deutschen Mathematiker-Vereinigung (DMV) 1994 in Düsseldorf auf die Position zurück, daß man die Frage ``Was ist Information?'' nur durch die Angabe einiger wichtiger Eigenschaften beantworten könne.

Zieht man gängige Nachschlagewerke wie etwa den Duden Informatik zu Rate, bekommt man ebenfalls nur eine unklare Vorstellung. Der wichtigste Hinweis aus dieser Quelle ist der Verweis auf die verschiedenen Ebenen von Information, die syntaktische, die semantische und die pragmatische.

Schließlich wird man wohl auch die verschiedene Funktionalität von Information berücksichtigen müssen, etwa deren deskriptive, aktionistische und kommunikative Komponente.

Information als kommunikatives Ereignis

In all diesen Formen spielt der Austausch, die Speicherung und die Verbreitung von Informationen die Verbindungsbrücke zwischen verschiedenen, im Gesamtarbeitsprozeß arbeitsteilig zusammenwirkenden Produzenten. Information ist damit eine zentrale Kategorie in der Vermittlung von Kausalität zwischen Gesamtarbeiter und Individualarbeiter, allerdings in einer Weise, die der durch marktwirtschaftliche Mechanismen vermittelten Kausalität diametral entgegengerichtet ist. Statt gesamtgesellschaftliche Bedürfnisse gegenüber dem einzelnen durchzusetzen steht hier die Formierung eines gesamtgesellschaftlichen Reflexionsbildes aus denen der Individualarbeiter im Vordergrund.

Die beiden Seiten des Individualarbeitsprozesses, die produktive und die reflektorische, gehen damit also höchst unterschiedliche Wege in ihrem Vergesellschaftungsprozeß. Während das materielle Produkt Endergebnis einer vom Gesamtarbeiter ausgehenden Kausalitätskette ist, seine Vergesellschaftung also gerade in der Befriedigung eines gesellschaftlich vermittelten individuellen Bedarfs besteht, geht die reflektorische Leistung, die Individualreflexion, den umgekehrten Weg. Sie wird erst dann zum gesellschaftlichen Ereignis, wenn sie sich der Gesamtarbeiter aneignet und sie damit potentiell allen Individualarbeitern zur Verfügung steht.

Erst diese Sozialisation von Reflexionsleistung macht arbeitsteiliges Zusammenwirken überhaupt möglich und hebt so den Menschen aus dem Tierreich heraus. Wir wollen deshalb im folgenden diese durch Sozialisation gebrochene Summe der (gegenwärtigen, aber auch vergangenen) Individualreflexionen, die sich der Gesamtarbeiter angeeignet hat, als den Informationsraum bezeichnen. Als Konstituente der Arbeitsgesellschaft ist dieser Informationsraum wie letztere ein Attribut von Menschsein schlechthin. Wenn wir heute trotzdem sein Vorhandensein in den Vordergrund schieben, dann hat das vor allem damit zu tun, daß neben der zunehmenden Bedeutung der reflektorischen Komponente des Gesamtarbeiters der technologische Umbruch der Arbeitsgesellschaft die Strukturen dieses Informationsraums ganz wesentlich verändert.

Aus dieser produktiven Prozessen diametral entgegengesetzten kausalen Ausrichtung von Informationsprozessen folgt auch deren innerer Widerstand gegen eine marktwirtschaftliche Verwertung. Während bei üblichen marktwirtschaftlichen Bewertungen der ``Erfolg am Markt'' nur auf der Ebene des Individualarbeiters als nachträgliches, unvorhersagbares Ereignis erscheint, ist der Nutzen einer Individualreflexion auch für den Gesamtarbeiter essentiell erst a posteriori feststellbar. Während der Individualarbeiter diese Unvorhersagbarkeit seines Markterfolgs durch entsprechende Marktbeobachtung relativieren kann, weil durch den Markt die im Produkt manifeste vergangene Arbeitsleistung bewertet wird, der Markt also das Instrument einer nur der Unvollkommenheit menschlicher Vergesellschaftung geschuldeten blinden Durchsetzung eines a priori vorhandenen Interesses des Gesamtarbeiters ist, steht ihm mit dem Informationsraum eine Gesellschaftsstruktur gegenüber, die ihrem Wesen nach keine Apriori-Bewertung zuläßt.

Dies bedeutet keineswegs, daß Informationsprozesse, insbesondere Informationsbeschaffung, -systematisierung etc., nicht erfolgreich marktwirtschaftlichen Bewertungsmechanismen unterworfen werden können. Die Grenze liegt dort, wo Information aufhört, Produkt zu sein, Gegenstand eines vom Gesamtarbeiter ausgehenden Interesses an der Produktion bestimmter Information, und versucht, als Information in den Informationsraum überzutreten, d.h. ein gesamtgesellschaftliches Leben zu führen. Wir werden dies unten noch genauer sehen.

Entsprechend schwierig ist es, eine genaue Begründung für die Größe gesellschaftlicher Ressourcen zu geben, die für solche Reflexionsleistungen, d.h. die Pflege des Informationsraums durchschnittlich aufzuwenden sind. Ein solches Aufwand-Nutzen-Maß zu finden ist aber heute von großer Bedeutung. Während früher, wie wir selbst noch bei Marx gesehen haben, dieser Informationsraum ein sich fast unbemerkt reproduzierendes Anhängsel der Arbeitsgesellschaft darstellte, das über obskure Mechanismen von der Gesellschaft alimentiert wurde, nimmt er schließlich heute eine zunehmend zentrale Stellung ein und bindet nicht unerhebliche Mittel, deren Einsatz nach einem der geforderten Funktionalität entsprechenden Prinzip effektiviert werden muß.

Es gibt allerdings heute noch so gut wie keine praktischen Vorstellungen über ein solches Bewertungsprinzip. Auf Grund der Unmöglichkeit, den Nutzen von Reflexionsleistungen im Voraus zu bewerten, wird es wohl zweistufig sein müssen. Die Gesellschaft wird zum einen in Vorauskasse treten müssen, um Individualreflexion als (bezahlte) Arbeit anzuerkennen und damit erst zu ermöglichen, und zum anderen im Nachhinein die Bedeutung der Individualreflexion für den Gesamtarbeiter zu messen haben. Auf der Ebene des Individualarbeiters bietet sich hierfür ein rekursives Bewertungsverfahren an, wie es im übrigen in der Wissenschaft schon vielfach Anwendung findet [25]. Seine Grundlage bildet, und das ist keine neue Erfindung, wie bereits weiter oben im historischen Kontext von körperlicher und geistiger Arbeit vermerkt, das in früheren Reflexionprozessen bewiesene (geistige) Arbeits vermögen, das als Maß für den Vorschuß an Verfügung über Ressourcen für zukünftige Reflexionsleistungen dient. Die Bewertung heutiger Reflexionsleistung erfolgt in einer zweiten Phase durch den Gesamtarbeiter während der Aneignung der Individualreflexion durch denselben, womit zugleich private Verfügungsrechte über diese Information aufgegeben werden. Im Austausch erhält der Individualarbeiter ein Autorenrecht, das bei der zukünftigen Bemessung seines Arbeitsvermögens angerechnet wird. Das damit ausgelöste kompetitive Element (statt ``Ökonomie der Zeit'' hier ``Pflicht zum Erfolg'') garantiert zugleich, wie auch beim Markt, eine effektive indirekte Aufwand-Nutzen-Optimierung.

Ein solches Bewertungsverfahren bietet sich nicht nur für die reflexive Arbeit von Einzelpersonen an, sondern auch von ganzen Teilstrukturen des Wissenschaftsbereichs wie etwa Fachbereichen, Universitäten und Hochschulen, Forschungsgruppen etc. Betrachtet man in diesem Licht die heute üblichen Finanzierungsmechanismen von Wissenschaft, so erkennt man leicht, daß diese noch wenig über die klassischen Alimentierungsverfahren hinausgewachsen sind. Einzig im Drittmittelbereich gibt es einige Entwicklungen hin zu einem solchen Erfolgsmaß. Dem stehen die Bestrebungen nach einem ``starken Dekan'' entgegen, womit man offensichtlich meint, mit diesem getreuen Spiegelbild der hierarchisch strukturierten Ministerialbürokratie aus der Alimentierung erwachsende ``Sachzwänge'' besser durchsetzen zu können. Die diesen Sachzwängen zu Grunde liegende und in allen politischen Lagern inzwischen anerkannte permanente Unterfinanzierung der Wissenschaftssphäre zwingt dann die Wissenschaftseinrichtungen, ihre Leistungen auf einem dafür nicht geeigneten Markt anzubieten mit allen daraus für die Funktionalität von Information negativen Folgen. Der volle Umfang der Folgen einer Forcierung dieser Politik unter dem Deckmantel eines prosperierenden ``Standorts Deutschland'' im Rahmen des konservativen Modernisierungskonzepts sind nur schwer absehbar.

Autorenrecht und Urheberrecht

Wir hatten bereits oben gesehen, daß man für Information, die man marktwirtschaftlich verwerten will, exklusive Eigentümerrechte sichern muß. Andererseits stellen solche Eigentümerrechte ein grundsätzliches Hindernis dar, Information in den Informationsraum zu entlassen, wo sie der Sache nach ja ein Eigenleben führen soll.

Dieses Dilemma ist der kapitalistischen Industrie gut bekannt und erfährt im Rahmen klassischer marktwirtschaftlicher Instrumente eine zweifache Lösung: Zum einen wird Wissen, insoweit es in außerökonomischen Gesellschaftsstrukturen wie etwa den Hochschulen entsteht, genauso wie Bodenschätze, Wasserkraft etc. kostenlos ausgebeutet [26]. Zum anderen gibt es Spielregeln, den Aufwand für im ökonomischen Bereich entstandenes Wissen vor der kostenlosen Ausbeutung durch andere zu schützen, wie etwa Copyright, Patentwesen usw. Daß es sich hier um Ersatzvornahmen handelt, die völlig andersgeartete Strukturen mit Macht unter die Austauschmechanismen der freien Marktwirtschaft zwingen sollen, sieht man daran, daß sie sich nur mit großem staatlichem Druck und Sanktionsandrohung durchsetzen lassen.

Entsprechend breiten Raum nehmen auch Überlegungen zur Modifikation dieser Protektionsmaßnahmen im Rahmen des Software-Schutzes ein. Hier wird das Dilemma besonders deutlich, denn es ist nicht nur möglich, sondern insbesondere im individuellen Sektor auch durchaus üblich, sich nicht an diese weltfremden Regeln zu halten, die den Ersatz des betriebenen ökonomischen Aufwand sichern sollen, mit der Funktionalität der Software aber nichts zu tun haben. [SW] stellt dazu sarkastisch fest

Schutz von Eigentum ist ein tragender Pfeiler für unseren Staat und unsere Gesellschaft. Der Begriff Eigentum bezieht sich sowohl auf materielle als auch auf immaterielle Güter, für deren Nutzung es vielfältige gesetzliche Regelungen gibt. Während es für jedermann einsichtig ist, daß Aneignung von Hardware, die jemand anderem gehört, Diebstahl ist, wird die Aneignung und Nutzung von fremder Software oft als sogenanntes Kavaliersdelikt betrachtet. Es fehlt in unserer Gesellschaft ein entwickeltes Rechtsbewußtsein für den Umgang mit Software.

Nach [SW] können heute für den rechtlichen Schutz von Software vor kostenfreier kommerzieller Verwertung Gesetze des gewerblichen Rechtsschutzes, das Urheberrechtsgesetz sowie das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb angewendet werden. In allen Fällen muß sich der Erzeuger der Software diese Rechte zuerst einmal sichern (über Patent-, Geschmacksmuster-, Warenzeichen- oder Urheberrechte) und außerdem selbst als Kläger auftreten. Neben der Schwierigkeit, eine solche Verwendung zu lokalisieren [27], liegt damit auf seinen Schultern auch die Beweislast des ``Ideenklaus'', der im Zeitalter von Windows'95 bereits in Fragen des Designs der Oberflächen von Software doppelt pikant wird [28].

Zum einen entsteht die Frage der Standardisierung, die jedes den Erfolg am Markt suchende Softwareunternehmen übernehmen muß. Dies ist ein Ausdruck der Notwendigkeit der Schaffung einer gemeinsamen kommunikativen Basis, ohne welche (erfolgreiche) Kommunikation schlichtweg unmöglich ist. Hier sind Marktabsprachen zwischen führenden Unternehmen gang und gäbe, wie nicht zuletzt der Krieg zwischen den Giganten um einen neuen Betriebssystemstandard der PC-Welt noch einmal deutlich vor Augen geführt hat. Wendet man auf solche Standards konsequent das Urheberrecht an, stehen sowieso bereits im Markt dominierende Firmen in einer doppelten Schlüsselrolle da. Das Kartellrecht als Wächter, daß einer der Großen sich dabei nicht ein zu großes Stück des Kuchens abschneidet, hat sowieso schon längst die Grenzen einer traurigen Fiktion überschritten. Die Einführung von de facto Industriestandards unter Umgehung der vom Gesamtarbeiter dafür geschaffenen Instrumente ist heute ebenfalls mehr als üblich.

Zum anderen werden die Leistungen von Firmen, die zentrale, wenn auch kleine Informationsbausteine ``erfunden'' haben, durch die sich aus den hohen Stückzahlen ableitenden Tantiemen mehr als ungerechtfertigt bevorteilt. Da das Urheberrecht hier auch keine funktionalen Alternativen erlaubt, wird ein solches Unternehmen durch diese Rechtslage in eine gesamtgesellschaftlich nicht verantwortbare Vorteilsposition gebracht. Die Krone gebührt auch hier Bill Gates, der mit MS-DOS mehr als eine Lizenz zum Gelddrucken in der Tasche hat, eine Lizenz, die er weidlich ausnutzen konnte und die ihn in wenigen Jahren zu einem der reichsten Männer der Welt werden ließ, (fast) ganz ohne eigenes Zutun. Daß sich andere Unternehmen, die mit dem Vertrieb geistiger Produkte ihr Brot verdienen, ebensolche Vorteile sichern wollen, ist nur zu verständlich. In der Folge hebeln sie die ökonomisch schwächeren Partner urheberrechtlich durch entsprechende Vertragsgestaltung zunehmend aus [29].

Die private Verwendung von urheberrechtlich geschützten Werken ist heute schon weitgehend aufgeweicht.

Für das private ``Überspielen'' von Musik oder das Kopieren aus Büchern oder Zeitschriften für wissenschaftliche Zwecke hat der Gesettzgeber schon lange legale Nutzungsmöglichkeiten geschaffen und den Autoren über Verwertungsgesellschaften Gebühren gesichert [...] , wobei mit den Tonträgern, Kopiergeräten usw. eine Gebühr erhoben wird.([SW])

Da man in Zukunft die Information noch viel leichter von ihrem materiellen Träger wird ablösen können, ist das erst der Anfang. In der Softwarebranche entstehen ausgeklügelte Systeme des Information hiding, um mit diesen Konflikten fertig zu werden, und noch ausgeklügeltere Systeme, um diese, der Funktionalität des eigentlichen Produkts absolut wesensfremden Schutzmechanismen zu durchbrechen [30]. Neben der damit verbundenen Vergeudung gesellschaftlich wesentlich produktiver einsetzbarer Intelligenz entstehen so Barrieren im Informationsraum, die diesen vollkommen unnötig segmentieren und als nur in gesamtgesellschaftlichen Dimensionen reproduzierbares Instrument menschlicher Sozialisation letztendlich in Frage stellen. Wie effektiv auf der anderen Seite die weltweite arbeitsteilige Entwicklung von Informationsprodukten ohne solche Barrieren sein kann, stellt der außerordentliche Erfolg der GNU-Programmierergemeinde unter Beweis, die zu allen wichtigen Informatikentwicklungen bisher eigene Programmpakete hoher Leistungsfähigkeit beigesteuert und unter ihren ``Copyleft''-Bedingungen samt allem Quellcode im Informationsraum (d.h. weltweit über Datennetze zugänglich) plaziert haben.

Betrachtet man schließlich nicht die nationale, sondern die globale Dimension, so wird deutlich, daß sich im zwischenstaatlichen Handel selbst mit Sanktionsdrohungen die erwünschten Schutzeffekte oft nicht erreichen lassen. Der ökonomische Aufschwung der jungen asiatischen Industrieländer (einschließlich Japans in gewissem Maße) etwa beruht zu einem nicht unbeträchtlichen Teil darauf, daß sie High-Tech nachbauen, das eigentlich durch entsprechende Patente geschützt ist. Geringe Lohnkosten und die für den Nachbau notwendige personelle und kulturelle Infrastruktur erlauben es, die Preise derart zu unterbieten, daß sich inzwischen ein doppelter Markt auf diesem Gebiet entwickelt hat, der auch durch eine COCOM-ähnliche Politik nicht mehr zu beseitigen ist. Daß selbst die ``volle Autorität'' eines entwickelten Industrielands hier maximal Kompromisse erzwingen kann, haben die Kontroversen zwischen China und den USA im Frühjahr 1995 noch einmal eindrucksvoll belegt.

Eine weitere Ebene der Diskussion eröffnet sich, wenn man fragt, welche Werke denn nun schutzfähig sind, welche dagegen nicht. In [SW] wird zunächst mit Verweis auf das Inkasso-Programm-Urteil des Bundesgerichtshofs vom 9.5.1985 folgender Anforderungskatalog gestellt:

Dieser aus dem Blickwinkel der individuellen Reflexionsleistung mit ziemlicher Willkür aufgestellte Katalog setzt Zugangsbarrieren und erfordert eine zusätzliche Reflexionsleistung im Vorfeld der eigentlich zu erbringenden Leistung, um deren Relevanz zu klären, deren Aufwand über die eigentliche Leistung weit hinausgehen kann.

Ganz pervers wird es aber, wenn schließlich die Frage aufgeworfen wird, welche Arten von Software wirklich schützenswert sind. Neben der Frage, ob neben den Programmen selbst auch Vorstufen, insbesondere formalisierte Beschreibungen, Programmentwürfe, Funktions- und Prozeßmodelle, Datenstrukturen etc. schützbar sind, betrifft dies insbesondere die Patentierfähigkeit von Software-Erfindungen. Hier sind sich die wirtschaftlichen Hauptmächte Europa, USA und Japan durchaus uneins:

Das Europäische Patentamt stellt erst fest, ob die Erfindung ein Rechnerprogramm als solches darstellt oder nicht. Liegt ein Rechnerprogramm also solches vor, dann ist der Rechtsschutz ausgeschlossen. [...] Wenn jedoch die Erfindung einen technischen Beitrag zum Stand der Technik liefert, kann die Patentfähigkeit nicht deswegen verneint werden, weil die Erfindung als Rechnerprogramm implementiert ist. In diesem Fall würde eine technische Erfindung vorliegen. [...]

Das US-Patentamt unterzieht eine software-bezogene Erfindung folgendem Test: Es wird zunächst festgestellt, ob die Patentansprüche ein wissenschaftliches Prinzip, ein Naturgesetz oder eine Idee enthalten, die direkt oder indirekt einen mathematischen Algorithmus darstellen. Wenn dies der Fall ist, wird untersucht, ob der Anspruch als Ganzes andere daran hindern würde, den Algorithmus in seiner Gesamtheit zu benutzen; wäre dies der Fall, dann wäre der Anspruch nicht patentfähig.

Die vom japanischen Patentamt durchgeführten Testschritte sind: Es wird festgestellt, ob sich die zu patentierende Erfindung auf Computer-Software bezieht; ist dies der Fall, so wird untersucht, ob bei der Erfindung Software und eine spezielle Hardware miteinander kombiniert sind. Ist dies der Fall, dann ist die Erfindung patentierbar. Sonst wird in einem nächsten Schritt festgestellt, ob das mit einem Rechnerprogramm ausgeführte Verfahren Naturgesetze verwendet. Ist dies der Fall, dann ist die Erfindung patentfähig, sonst nicht.([SW])

Die sich in [SW] anschließene Diskussion von Teilfragen, insbesondere die Voraussetzung, daß patentierbare Software ``technisch'' sein muß, sei hier nicht wiederholt, da m.E. bereits an dieser Stelle die einem ruhigen funktionalen Einsatz von in Software-Produkten vergegenständlichter Information entgegenstehende marktwirtschaftliche Verwertungsdruck mehr als deutlich geworden ist.

Es sei aber noch einmal explizit auf die im US-amerikanischen Patentrecht besonders deutlich angesprochene Gefahr der Patentierung wissenschaftlicher Aussagen hingewiesen. Da sich die Grenze zwischen technischen und nicht-technischen Produkten im Zuge der weiteren Computerisierung immer mehr verwischen wird, stellt sich diese Frage täglich mit Nachdruck neu. Es wird aus den USA bereits vom Versuch berichtet, sich mathematische Algorithmen (aus dem Bereich der numerischen Mathematik) patentieren zu lassen, die für die effiziente Bearbeitung großer Systeme von Relevanz sind. Denkt man diese Horrorvision ein Stück weiter, so ist auch der Tag nicht fern, an dem ein Wissenschaftler erst einmal einen Obolus zu entrichten hat, ehe er die Sätze und Ideen seiner Kollegen in seinen eigenen Arbeiten zitieren darf. Fällt eine solche Barriere eines Tages, so bedeutet dies zugleich das Ende freizügigen wissenschaftlichen Austauschs in der Form wie wir ihn heute kennen, auch in seinen Kernbereichen und damit die Zerstörung des Informationsraums in seiner heutigen gesamtgesellschaftlichen Konsistenz. Die Auswirkungen eines solchen Bruchs auf die Reflexionsfähigkeit des Gesamtarbeiters wären verheerend.

Mit dem Einsatz von Software in weltweiten Computernetzen werden die Fragen der Sicherung der Verwertungsbedingungen von Software weiter an Schärfe gewinnen. Entsprechende Überlegungen sind sowohl in Europa ([CZ] vom 3.8.95) als auch den USA ([CZ] vom 14.9.95) in der Diskussion.

Heerscharen von Autoren, Agenten, Juristen, Politikern und Multimedia-Experten rätseln, wie das Urheberrecht durchgesetzt werden kann. ``Vergeßt es'', winkt die Internet-Expertin Esther Dyson ab, ``was kopiert werden kann, wird kopiert. Das Internet ist das erste Medium, in dem nicht kontrollierbar ist, was mit dem geistigen Eigentum anderer Menschen angestellt wird. [...] Inhalte sollten von ihren Erfindern so behandelt werden, als wären sie kostenlos. Derjenige wird Erfolg haben, der genau weiß, was er verschenkt und was er verkauft. Verzichten Sie auf den Versuch, das Kopieren zu kontrollieren. Denken Sie statt dessen über ihre Beziehungen zu Ihren Kunden nach.'' (CZ vom 14.9.95)

Die Überlegungen gehen hin zu Set-top-Boxen und anderen technischen Geräten, wie sie heute bereits aus dem Bereich des Pay-TV bekannt sind, um das illegale Kopieren zu unterbinden. Es wird also eine neue Spirale des Wettrüstens zwischen Produzenten und Konsumenten von Software eingeläutet, statt die Dinge endlich vom Kopf auf die Füße zu stellen.

Information und Gesellschaft

Wir konstatieren, daß der wachsende Druck, Information marktwirtschaftlichen Bewertungsmechanismen zu unterwerfen, die Funktionalität von Information zunehmend deformiert und in Frage stellt. Effekte, die im Produktionsprozeß im engeren Sinne durch den umfassenden Einsatz von Wissen als Produktivkraft ausgelöst wurden und die Grenzen marktwirtschaftlicher Regulation markieren, beginnen im Zeitalter der Informationsgesellschaft ihren gesamtgesellschaftlichen Amoklauf. Mit dem Versuch, Information paßförmig für den Markt zu machen, sind damit heute diese Mechanismen, in einer Zeit beginnender Selbstreflexion und entscheidender struktureller Umbrüche in diesem Bereich, endgültig an ihrem Ende angelangt sind. Statt dessen steht die Frage eines für die Optimierung des Arbeitsprozesses auch in diesem Bereich notwendigen Aufwand-Nutzen-Maßes, etwa auf der Basis eines Maßes des Individualarbeits vermögens, wie im vorigen Abschnitt diskutiert, und dessen Umsetzung in gesellschaftliche Strukturen auf der Tagesordnung. Dies bedeutet, wie wir gesehen haben, nicht einfach die Frage nach dem Preis von Information, wenigstens nicht im klassisch marktwirtschaftlichen Sinne. Es wird im Gegenteil nach neuen Mechanismen zu fragen sein, die in der Lage sind, auch dieses Gebiet und aus seiner derzeitigen ``Naturbelassenheit'' herauszuführen. Dies wird zugleich der Hauptinhalt des Übergangs zu einer wie auch immer verstandenen Informationsgesellschaft sein müssen. Wir wollen im folgenden einige Aspekte dieses Übergangs untersuchen.

Zusammenfassend läßt sich feststellen, daß sich die Reflexionsleistung des Gesamtarbeiters nicht in größerem Umfang in privatwirtschaftliche Strukturen pressen läßt. Mehr noch, die damit verbundene immanente Tendenz zum Information hiding behindert schon heute große Teile der (potentiell einer kommerziellen Nutzung zuführbaren) Informationsgesellschaft und legt insbesondere Teile einer für die Freizügigkeit der Wissenschaft (einschließlich der Technologiefolgenabschätzung) unumgänglichen ungehinderten Kommunikation lahm.

Der Informationsraum muß deshalb in seinen entscheidenden Teilen seine Funktionalität unter gesamtgesellschaftlicher Verantwortung und Aufsicht entfalten. Dies bezieht sich insbesondere auf Mechanismen der Einbringung und Partizipation an diesem Informationsraum.

Mit der zunehmenden Bedeutung dieses Bereichs in einer modernen Gesellschaft bedeutet dies aber auch, daß die dafür notwendigen nicht unbeträchtlichen Ressourcen nur im Rahmen eines gesamtgesellschaftlichen Umverteilungsprozesses bereitgestellt werden können und müssen. Dabei hat der öffentlich finanzierte bzw. unter öffentlicher Kontrolle stehende Anteil für das Funktionieren einer freizügigen Wissenschaft, insbesondere aber für die Reproduktion der Informationsbasis der Gesellschaft, die ausschlaggebende Bedeutung. Über eine Refinanzierung dieses Sektors aus Profiten, die sich aus Forschungstransfer ergeben, ist nachzudenken.

Schluß

KURZ beendet seine Analyse mit der Prognose des unmittelbar bevorstehenden Zusammenbruchs der warenproduzierenden Gesellschaft auch in den Metropolen der ersten Welt. Er zeichnet ein Feuerwerk von Schlußakkorden, die den Krach derselben in der Dritten und Zweiten Welt an Fulminanz noch überbieten werden, die Vision eines

dunklen Zeitalters von Chaos und Zerfall gesellschaftlicher Strukturen

beschwörend, ehe der Vorhang fällt und die warenproduzierende Gesellschaft endgültig von der Bühne abtritt.

Wenn er auch seine Aussage relativiert [31], so verläßt KURZ hier trotzdem die strenge Logik seiner restlichen Ausführungen: Während der Süden und Osten noch nicht so weit waren, die warenproduzierende Gesellschaft (ich füge hinzu: aus eigener Kraft) hinter sich zu lassen, konstatiert KURZ für den Westen bereits einen

Kommunismus der Sachen, die globale Vernetzung des Inhalts der menschlichen Reproduktion [...]

als, wenn nicht schon erreicht, so unmittelbar vor der Türe stehend.

Es erhebt sich die Frage, ob dies nach dem (unter privatkapitalistischen Verhältnissen) endgültigen Scheitern der nachholenden Modernisierung in der Zweiten und Dritten Welt nicht als nunmehr einzig denkbare Grundlage für eine Bewältigung der Megakrise bleibt. Einer Bewältigung aber nicht primär als Zerbrechen der warenproduzierenden Grundlagen dieser Gesellschaft wie bei KURZ, sondern eher in Form des Schmetterlings, der seinen eigenen Kokon sprengt, damit alles vorherige positiv aufhebend. Eine solche Lösung würde jedenfalls der Logik unserer Ausführungen mehr entsprechen.

Wenn es denn wirklich so sein sollte, daß dies die einzige und letzte Chance ist, aus der Megakrise der menschlichen Vergesellschaftung herauszukommen, dann hat die Linke des Westens hier eine sehr spezifische Aufgabe zu erfüllen, die weit über die Besitzstandswahrung, mit der wir die Einleitung abgeschlossen hatten, hinausreicht.

18. September 1995

Fußnoten

(Brangsch)
L. Brangsch: Beschäftigungsgesellschaften -- Chancen und Grenzen. In: Disput 6 / 1995, 19 - 22.

(Gräbe)
H.-G. Gräbe: Die Bildungskrise am Ende der Arbeitsgesellschaft. Manuskript 1995.

(HGR)
Hochschule als gesellschaftliches Risiko. Thesen des Bundes demokratischer WissenschaftlerInnen, Dez. 1994.

(Jagoda)
B. Jagoda: Studium und Arbeitsmarkt. Forschung & Lehre 8.95, 431 - 435.

(Jantsch)
E. Jantsch: Die Selbstorganisation des Universums. Hanser, 1992.

(Kreschnak)
H. Kreschnak: Sachsen und der Übergang vom Industrie- zum Informationskaptalismus. Schriftenreihe der PDS-Fraktion im sächsischen Landtag 4/1995.

(Kurz)
R. Kurz: Der Kollaps der Modernisierung. Eichborn Verlag, Frankfurt/M. 1991. Zitiert nach der Ausgabe Reclam, Leipzig 1994.

(Marx)
K. Marx: Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie. Dietz Verlag Berlin 1953.

(Mocek)
R. Mocek: Von der Möglichkeit einer ``organischen Wende'' in der Forschungs- und Technologiepolitik. Utopie kreativ, Heft 43/44, 74 - 86.

(PWB)
Philosophisches Wörterbuch (Hrg. Georg Klaus, Manfred Buhr). 10., neubearbeitete und erweiterte Auflage, Bibliographisches Institut Leipzig, 1974.

(Rauner)
F. Rauner: Innovation und Qualifikation als Standortfaktor aus globaler und regionaler Sicht.
Wissenschaftsnotizen 8, Mai 1995, herausgegeben vom Wissenschaftsforum der Sozialdemokratie, 16 - 18.

(Schubert)
K.-H. Schubert: Selbstbestimmung versus Fremdbestimmung/ Thesen zur zukunft der (staats-)schule. Zukunftswerkstatt Schule 8 (1994).
Herausgegeben von der AG Bildungspolitik der PDS.

(SW)
Der rechtliche Schutz von Software: Aktuelle Fragen und Probleme. Ein Diskussionspapier des GI-Arbeitskreises Software-Schutz.
Informatik-Spektrum 15 (1992), 89 - 100.

(Teichmann)
H. Teichmann: Zum Wert und Preis von Information. Z. f. Betriebswirtschaft 43 (1973), 373 - 390.

(Weizenbaum)
J. Weizenbaum: Die Macht der Computer und die Ohnmacht der Vernunft. Suhrkamp, Frankfurt 1978.

(1)
Stimmt das? Ist auch die hier präsentierte Gesamtsicht richtig?
(2)
Längere Zitate sind im folgenden stets kursiv und eingerückt eingefügt.
(3)
Dies legt die Anwendung systemtheoretischer Konzepte im Sinne etwa von [Jantsch] zur Reflexion der entsprechenden Strukturen nahe; allerdings kann man dann nicht von Kontrahenten sprechen, da der Mensch vornehmlich agiert, die Natur aber reagiert. Somit spielt die Natur hier eher die Rolle der das System konstituierenden Entitäten, die menschliche Tätigkeit die der die Systeminteraktionen vermittelnden Prozesse. Ein solches Verständnis kommt dem menschlichen Reflexionsbedarf ziemlich nahe, der ja in seiner Arbeitstätigkeit gerade so weit als möglich von (irrelevanten) Naturprozessen abstrahieren möchte und dies auch oft genug bis über die Grenze des Zulässigen tut. Dieser zweifellos interessante methodologische Ansatz soll hier nicht weiter verfolgt werden. Für einige allgemeine Überlegungen in diese Richtung sei auf [Gräbe] verwiesen.
(4)
In der Argumentation von [Kurz], wo Realsozialismus als eine Form nachholender Modernisierung nicht über privatkapitalistische Gesellschaftsstrukturen hinausgeht, taugt dieses Beispiel allerdings nicht als Beleg für unsere These der Permanenz von Fremdbestimmung.
(5)
Bei KURZ ist dies allerdings bereits Ausdruck der Grenzen der warenproduzierenden Gesellschaft insgesamt, die mit ihren Instrumenten nicht mehr in der Lage ist, die Dominanz des Gesamtarbeiters durchzusetzen. Diese kommt in den in etatistisch erstarrten bürokratischen Strukturen des ``Kasernensozialismus'' nur früher zum Tragen. In diesem Licht handelt es sich also keineswegs um ``Deformationen''.
(6)
Hier ist dieses von den Marx-Jüngern geliebte Wort wirklich angebracht.
(7)
Dasselbe gilt, im Sinne von [Kurz] verallgemeinernd, für jede etatistisch-kapitalistische Lösung. Damit werden zugleich auch alle Lösungsansätze für die ökologische Krise, die den Weg in Richtung einer Ökodiktatur, welcher Ausprägung auch immer, weisen, ad absurdum geführt.
(8)
vgl. eine ähnliche Argumentation unter dem Stichwort Arbeitsprozeß (Autor: K.-D. WüSTENECK)
(9)
Ganz so einfach ist es natürlich nicht, denn die an den Träger des verwendeten Wissens bezahlten erhöhten Lohnkosten, die aus dessen höherem Aufwand für die Reproduktion seiner eigener Arbeitskraft resultieren, schlagen natürlich zu Buche. Gleichwohl bleibt die wissenschaftliche Leistung selbst, sofern sie nicht durch spezielle Vorkehrungen gesichert ist, ökonomisch vollkommen außer Ansatz.
(10)
Allerdings ist eine solche Alimentation auch heute keineswegs so ungewöhnlich und nur auf Geistesarbeiter beschränkt, wie man vielleicht auf den ersten Blick denken mag. Sieht man sich Sponsoring von Kunst, Leistungssport, aber auch von Vereinstätigkeit, speziellen Projekten und anderem Gemeinnutz usw. an, so mag man dahinter schon einen zivilgesellschaftlichen Mechanismus der partiellen Umverteilung von gesellschaftlichem Arbeitsvermögen vermuten.
(11)
Wobei selbst das dabei angewandte Tarif- bzw. Besoldungsrecht sich an dem (unterstellten) Arbeits vermögen und nicht der Arbeitsleistung orientiert.
(12)
[Rauner] weist darauf hin, daß es sich bei dieser Art der beruflich orientierten Vorbereitung des Individualarbeiters um eine typisch europäische handelt, die im Gegensatz zur amerikanischen oder japanischen betriebsorientierten Vorbereitung steht und führt gute Gründe an, dies beizubehalten. Der Ruf nach staatlicher Alimentierung ist bei ersterer naturgemäß stärker.
(13)
Wir wollen dies hier als Fußnote deutlich hervorheben: Dieses Gesetz gilt nur so lange, so lange Bewertung auf der Arbeitszeit als Maß beruht. Davon unberührt ist allerdings die generelle Aussage, daß
die gesamte Wirkung des G. darauf abzielt, die sich ständig entwickelnden gesellschaftlichen produktiven und nichtproduktiven Bedürfnisse ( welch pikante Unterscheidung ! -- HGG) mit dem geringstmöglichen gesellschaftlichen Aufwand zu befriedigen. (In Ermangelung eines entsprechenden Stichworts in [PWB] aus dem Polit. Wörterbuch 1973)
Ein anderes Wertmaß führt allerdings dann zu anderen Bewegungsformen.
(14)
Natürlich wird das ganz wesentlich von im marktwirtschaftlichen Sinne ja eigentlich nicht bestehender Subalternität zwischen Produzent und Konsument aufgehoben, die insbesondere für durch Outsourcing massenhaft entstehende prekäre Unternehmensverhältnisse nicht in Abrede gestellt werden soll.
(15)
Ähnliches wird in [Teichmann] für die Bewertung von Information beschrieben. Dort wird zugleich darauf verwiesen, daß ein solches Maß subjektiver und nicht objektiver Natur ist.
(16)
Hier war Marx wohl, den Zeitrahmen für eine derartige Entwicklung prognostizierend, zu optimistisch; erst die jetzt einsetzende zweite Etappe der industriellen Revolution, die Potenzierung menschlicher Geisteskraft, führt die Prämissen dieser Entwicklung endgültig in den gesamtgesellschaftlichen Reproduktionsprozeß ein, wie wir noch sehen werden.
(17)
Es ist allerdings fraglich, ob ``gesellschaftlicher Charakter'' (wohl außerdem von Arbeit) automatisch Vergesellschaftung der Produktionsmittel im klassischen Sinne bedeutet oder nicht vielmehr nur auf den raum-zeitlichen Rahmen abzielt, in dem sich dabei Produktion als Prozeß abspielt.
(18)
Kurz wird hier noch deutlicher ([Kurz, S. 289]):
Die Menschheit ist damit konfrontiert, daß sie durch die selbstgeschaffenen Produktivkräfte hinter ihrem Rücken auf der inhaltlich-stofflichen und ``technischen'' Ebene kommunistisch vergesellschaftet wurde. Dieser objektive Zustand ist mit den konträren Subjektformen an der gesellschaftlichen Oberfläche unvereinbar. Der vermeintlich gescheiterte Kommunismus, mit dem die Zusammenbruchsgesellschaften nachholender Modernisierung verwechselt wurden, ist weder Utopie noch ein fernes, nie zu erreichendes Ziel weit jenseits der Realität, sondern er ist schon da, er ist das Allernächstliegende in der Wirklichkeit selbst, freilich in verkehrter negativer Form innerhalb der kapitalistischen Hülle des warenproduzierenden Weltsystems: nämlich als verkehrter Kommunismus der Sachen, als globale Vernetzung des Inhalts der menschlichen Reproduktion; gesteuert jedoch durch die blinde und tautologische Selbstbewegungsstruktur des Geldes, die keinerlei sinnlicher Bedürfnislogik folgen kann [...]
(19)
Wie bereits an anderer Stelle bemerkt, trifft dieser Terminus, wie im übrigen auch jeder andere bisher vorgeschlagene, die Komplexität des zu beschreibenden Umbruchs nur sehr unvollständig. Insbesondere wird mit dem hier verwendeten Begriff ein technokratischer Zugang ähnlich dem mit der Formel ``Wissenschaft als Produktivkraft'' verbundenen suggeriert.

Andere Autoren sprechen, unter anderer Schwerpunktsetzung, von ``mikroelektronischer'' oder auch ``informationeller'' Revolution. Ich habe hier diesen klassischen Terminus vor allem aus dem Kontext meiner Retrospektive heraus gewählt.

(20)
Diese Passagen unterstreichen allerdings noch einmal die weiter oben getroffene Einschätzung der Technikzentriert- und -fixiertheit des Inhalts der zu DDR-Zeiten allgegenwärtigen Formel ``Wissenschaft als Produktivkraft''.
(21)
Man beachte die feine Unterscheidung zum Arbeitsprozeß, die wir im letzten Kapitel bei MARX noch vermißt haben.
(22)
Dieser Trend wird auch durch mittelfristige Arbeitsmarktprognosen wie etwa [Jagoda] bestätigt.
(23)
Es wäre einmal interessant, das Schicksal dieser Strukturen in der zusammengebrochenen zweiten Welt zu untersuchen. Selbst zu ``guten alten'' realsozialistischen Zeiten hatten ja private Bartergeschäfte, damals wegen der Fiktivität des Aluminiumgeldes, eine nicht zu unterschätzende Bedeutung.
(24)
Ich möchte nur auf die enge, oft auch personelle Verquickung von Management, Exekutive und manchen Politikern hinweisen, was die zivilgesellschaftlichen Funktionen des Rechtsstaats, insbesondere in dessen Rolle im ersten Abschnitt der Kette ``Gesamtarbeiter -- Eigentümer -- Individualarbeiter'', massiv in Frage stellt und, theoretisch völlig widersinning, oft die Exekutive faktisch über die Legislative stellt.
(25)
Allerdings wird dieses Prinzip in der Wissenschaft bisher noch kaum für die unmittelbare materielle Bewertung der Leistungsfähigkeit herangezogen. Man betrachte nur die Zustände an vielen Universitäten, wo mit der Berufung zum Professor die letzte Leistungsüberprüfung stattfindet. Danach wird man einzig durch moralische Appelle oder aber den inneren Schweinehund zu (wissenschaftlicher) Leistung getrieben. Freilich soll der harte Selektionsprozeß im Vorfeld, wenigstens theoretisch, nur dafür prädestinierte ``charismatische'' Persönlichkeiten mit lebenslangem inneren Selbstantrieb passieren lassen (vgl. M. Schmeiser in Forschung & Lehre 8/95). In dieser Selektionsphase spielt dann allerdings eine rekursive Bewertung von Arbeitsvermögen, ausgedrückt in der Länge der Publikationsliste oder dem Renommé in Fachkreisen durchaus eine entscheidende Rolle.
(26)
``Wie mit den Naturkräften verhält es sich mit der Wissenschaft. Einmal entdeckt, kostet das Gesetz über die Abweichung der Magnetnadel im Wirkungskreise eines elektrischen Stroms oder über Erzeugung von Magnetismus im Eisen, um das ein elektrischer Strom kreist, keinen Deut.'' (Marx, Kapital I, S. 407)
(27)
[...] wurden in Deutschland mehr als doppelt soviel Computer (Hardware) verkauft wie Programme. ([SW])
(28)
Von solchen ``Bonbons'' wie dem gerichtlichen Streit zwischen der ``ältesten Leipziger Funktaxizentrale'' und Kölnisch Wasser um die Verwendung eines Ovals mit der Rufnummer 7411 durch erstere einmal ganz abgesehen, den der Ostbetrieb in erster Instanz wohl verloren hat.
(29)
Vgl. hierzu etwa ND vom 26.5.1995, wo in einem Symposium in der Akademie der Künste laute Klagen über das rigide Vorgehen der Produzenten gegenüber den Urhebern geäußert wurden.
(30)
Daß dies nicht nur durch Hacker, sondern durchaus auch auf kommerzieller Ebene geschieht, möge die folgende Meldung aus [CZ] vom 30.3.1995 belegen: Eine Klägerin vertrieb ein erfolgreiches Anwendungsprogramm zum Preis von über 10000 DM pro Workstation. Um die illegale Kopie zu verhindern, hatte die Klägerin den Einsatz eines Dongles vorgesehen, der zwischen Druckerschnittstelle und Drucker angebracht ist. Eine andere Firma, die Beklagte, bot nun ein Paket mit Utilities an, das nur knapp 1000 DM kostete. Damit konnte u.a. der Einsatz des Dongles umgangen werden. Da die Beklagte aus einem früheren Prozeß gelernt hatte, daß sie mit dieser Eigenschaft nicht werben durfte, ließ sie sich jetzt sogar vor Verkauf ihres Programms von den Kunden bestätigen, daß sie dieses Programm nicht zu illegalen Zwecken einsetzen [...]
(31)
Freilich wird der Zusammenbruch des Westens und damit der letzten Insel von scheinbarer Normalität nicht einfach die Krisen des Südens und Ostens wiederholen, so grausam diese auch sein mögen. Denn die künstlich prolongierte kapitalistische Normalität innerhalb der OECD hat ja ihren Abglanz auch auf die bisherigen postkatastrophalen Gesellschaften geworfen, nicht nur ideologisch in den irrationalen Prosperitätshoffnungen und Modellwechsel-Ambitionen, sondern auch real in Form monetärer Infusionen und ``Blutkonserven'' [...]