(c) H.-G. Gräbe, 01/2001 Quelle: http://www.hg-graebe.de/Texte/Kommentare/ND/01-01-12.txt ================================================================ Zum Rückzug Lothar Biskys aus der Programmkommission Anfang vom Ende oder Ende vom Anfang ... ... der Programmdebatte fragt sich der engagierte Beobachter der bisherigen Bemühungen der PDS um eine Neufassung ihrer programmatischen Grundlagen bei einer solchen Meldung. Auch wenn die bisherige Programmdiskussion in der Tat wenig Substanz erbracht hat, so kann man sie doch nicht als ergebnislos bezeichnen, denn mit den verschiedenen Streitbegriffen haben sich schließlich gewisse Dissenspunkte - für eine wirklich pluralistisch verfasste Partei m.E. kein Problem - herauskristallisiert. Andererseits sind, gerade von den AG's und IG's, Defizite in der bisherigen Diskussion deutlich benannt worden, zu denen von der Programmkommission bis zum April eine Zusammenfassung vorgelegt werden soll. Eines davon - und darauf wies Lothar Bisky bereits 1996 im Vorwort zum "Kommentar" (Zur Programmatik der PDS - Ein Kommentar. Dietz Verlag Berlin 1997, S. 8: "Die Multi-Media-Entwicklung, die Dynamik der Informations- und Kommunikationsindustrie aber haben wir politisch und programmatisch bislang nur unzureichend im Griff. Auch das vorliegende Buch weist in diesem Bereich seine bedauerlichste Lücke auf.") hin - ist die Analyse von Problemen und Entwicklungen im Zusammenhang mit dem Übergang zu einer Informations- oder Wissensgesellschaft. Seit 1996 ist in dieser Frage wenig Substanz hinzugekommen. Eine Reihe von sehr kontrovers diskutierten Fragen bekommen aber im Licht dieser Entwicklungen einen vollkommen neuen Stellenwert. So steht etwa die Eigentumsfrage keineswegs erst "mit dem Sozialismus als Ziel" (I. Wagner in 'Leipzigs Neue' 01.01) auf der Tagesordnung, sondern zu wichtigen Aspekten ist bereits heute ein Tauziehen im Gange, zu dem sich auch linke Tagespolitik positionieren muss. Wenn es nämlich darum geht, die Gelüste der "new economy" in die Schranken zu weisen, die das bisher im Wissenssektor noch dominierende Prinzip des Gemeineigentums an Wissen, die "Wissensallmende" (Volker Grassmuck), aufkündigen und durch ein Privateigentumsmodell mit Lizenzen, Patenten und Urheberrechten ersetzen will. In einem solchen aktuellen politischen Kampf treffen sich "reformerische" und "fundamentalkritische" Ansätze und könnten sich "Reformer" und "Fundamentalkritiker" in der PDS treffen, wenn sie denn eine solche Frage ernst nähmen. Doch bisher sind von keiner der beiden Seiten zählbare Vorstöße erfolgt, hier theoretisch Boden unter die Füße zu bekommen. Zentrale Fragen eines Übergangs zu einer Informations- oder Wissensgesellschaft spielen damit im programmatischen Diskurs der PDS so gut wie keine Rolle. Der beklagenswerte Zustand der BAG Wissenschaft der PDS ist beredtes Zeugnis dieser Ignoranz, die in einer Zeit zunehmender Bedeutung von 'Kompetenz' auch in Management-Theorien sowie der Hinwendung anderer Parteien zu Bildungs- und Wissenschaftsthemen doppelt pikant wird. Allerdings landen wir in einem solchen Diskurs schnell bei Fragen, die Marx nur am Rande tangierte wie etwa der "Tragödie der Gemeingüter" (http://dieoff.com/page95.htm), die Garret Hardin 1968 explizierte. Die Überweidung, Überfischung, Übernutzung und übermäßige Verschmutzung der Gemeingüter wird dort als strukturelles Problem dargestellt, das durch lokale Ansätze wie "Markt" oder "Selbstentfaltung" nur verschärft wird und Gemeingüter letztlich in den Ruin treibt. Ob eine wie von Hardin vorgeschlagene Parzellierung in Kollektiv- oder gar Privateigentum zu den notwendigen globalen Lösungen führt und diese durch ein "Denken in Gegensätzen", wie von Ingo Wagner als "Kulminationspunkt der Marxschen Theorie und Methodologie" favorisiert, gefunden werden können, wage ich zu bezweifeln. Eher halte ich es mit Rolf Holzkamp ("Individuum und Organisation", 1980, http://www.kritische-psychologie.de/kh1980a.htm), statt der Fixierung auf den Eigentumsbegriff die Interessenwidersprüche selbst ins Auge zu fassen, die heute über das Eigentum ausgetragen werden, dabei "Allgemeininteressen" und "Partikularinteressen" (im Sinne von Holzkamp) besser zu unterscheiden und ersteren auf kollektiver Basis gegen heute noch dominierende mächtige Partikularinteressen zum Durchbruch zu verhelfen. Solche Prozesse sind an vielen Stellen der Welt bereits heute im Gange. Diese Keime aufzuspüren und selektiv zu verstärken ist auch Gegenstand der Veranstaltungsreihe "Mensch, Technik, Bildung im Computerzeitalter" der Rosa-Luxemburg-Stiftung, siehe http://www.hg-graebe.de/MTB/index.html. Mit Thesen zu "Bildungsanforderungen im 21. Jahrhundert" und "Emanzipatorischen Herausforderungen moderner Technologien" liegen erste schriftliche Ergebnisse auf dem Tisch bzw. im Netz und stehen zur Diskussion. [... Es folgten Hinweise auf weitere Kolloquien der Reihe im Frühjahr 2001. ]