(c) H.-G. Gräbe, 12/2005 Quelle: http://www.hg-graebe.de/Texte/Kommentare/ND/05-12-17.txt ================================================================ Zur Debattenseite im ND vom 16.12. Die Grundeinkommensdebatte scheint sich zu einem Dauerbrenner im linken PDS-nahen Spektrum zu entwickeln. Nach längeren Diskussionen bei WAK Berlin und einem fundierten Text "Schlaraffenland - eine linke Utopie? Kritik des Konzepts eines bedingungslosen Grundeinkommens" von Ulrich Busch in Utopie Kreativ 181 (2005), 978-991, nun auch eine ganze Seite im ND und das Versprechen auf "mehr". Besonders Kai Ehlers' letzte Bemerkung möchte ich aufgreifen: "... die Einführung eines Grundeinkommens, das den Menschen ohne Bedingung von staatswegen ausgezahlt wird, entlässt die Menschen in eine Freiheit, die allein durch den Staat als Organisator kontrolliert wird. Hier sehe ich ein Problem...". Eine Frage, die Linke bereits vor 100 Jahren bewegt hat, wie in Stefan Heyms Buch "Radek" gut nachzulesen ist. Gerade an dieser Stelle sind Antworten zu suchen, die eine stärkere zivilgesellschaftliche Verankerung denken und Grundsicherung als Teil einer Daseinsvorsorge verstehen, die sich viel komplexer um Zukunftsfähigkeit von Gesellschaft auch in ihrer ökologischen und wissensmäßigen Dimension drehen und die "Vorbereitung auf die Multioptionalität von Zukunft" (H. Laitko) ernst nehmen. Hier geht es dann nicht um "Arbeit" schlechthin, sondern um qualifizierte Arbeit, um Kompetenz, um die "Beherrschung der Macht der Agentien", um das Verlassen der Rolle des Zauberlehrlings, die eine Rückführung der Industriemaschine in einen "Einklang mit der Natur", wie im "Postdamer Manifest" gefordert, überhaupt erst ermöglicht. Die Krise der Arbeitsgesellschaft heutigen Zuschnitts ist auch eine Krise eines Arbeitsbegriffs, der zwischen "Arbeit" und "Konsum" aufgestellt wird, den beide Autoren nicht wirklich verlassen und damit die Frage ausblenden, ob es nicht der Arbeitsbegriff selbst ist, der in diesem Spannungsfeld einer Neuadjustierung bedarf. Ob also die Nutzung der "freien Zeit", der "Mußezeit", der "Zeit für höhere Tätigkeiten" nicht eine natürliche Verlängerung des Begriffs der "gesellschaftlich nützlichen Arbeit" ist, in dem allerdings die Eigenbestimmtheit der Zielrichtung dieses Beitrags eine deutlich größere Rolle spielt als im klassischen oder modernen Lohnarbeitsverhältnis. Die Grundeinkommensthematik kann man nicht losgelöst von diesen Umbrüchen in der Arbeitswelt betrachten. Wenn es in Zukunft viel zentraler auf Kompetenzen ankommt und diese als lebensweltliche Erfahrungen konkreter Menschen - die sich kaum durch einen halbjährigen Arbeitsamtskurs nachhaltig ändern lassen - einen Wert an sich darstellen, dann ist es - so lange Nützlichkeit in Geld umgerechnet wird - nur legitim, eine solche potenzielle Nützlichkeit der reinen Existenz eines jeden Menschen in einem Existenzgeld, einer Grundsicherung, einem garantierten Grundeinkommen oder wie wir es auch immer nennen wollen, zu manifestieren. Detailliertere Argumente dazu in meinem Kommentar zum Text von Uli Busch unter http://www.hg-graebe.de/Texte/Kommentare